Ohne Schwert

Landvolkverband fordert Bauern auf, bei Protesten auf nationalistische Symbole zu verzichten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Immer wieder versammeln sich Landwirte zu Protestaktionen. Es geht gegen neue Umweltauflagen, aber auch gegen unfairen »Freihandel« mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. In den letzten Monaten flatterten immer wieder Fahnen der historischen Landvolkbewegung der 1920er Jahre an Traktoren: Schwarz ist das Tuch, darauf ein weißer Pflug und ein rotes Schwert. Auch wer die Geschichte dieser Symbolik nicht kennt, kann das Bild unschwer interpretieren: Von »denen da oben« wird die Arbeit des Bauern zunichte gemacht, also wehrt er sich. In Schleswig-Holstein hatte das Zeigen solcher Fahnen auch innerhalb der Berufsverbände in den letzten Monaten für Unmut gesorgt.

Auch in Niedersachsen gibt es Bedenken, so beim Landvolkverband Ostfriesland. Er rät seinen rund 6500 Mitgliedern, bei künftigen Aktionen auf die Pflug-und-Schwert-Fahnen zu verzichten. Die Mahnung ist verständlich, denn angesichts des Ursprungs des Symbols könnten sich die Nutzer, wenn auch ungewollt, in die »rechte Ecke« stellen, mahnt die Verbandsgeschäftsführung. Des weiteren, warnt ein Landvolk-Mitglied auf Twitter, könnten Außenstehende das Bild als Synonym für »Blut und Boden« deuten, also für die Ideologie des Hitlerregimes.

Doch schon Jahre vor der Machtübertragung an Hitler hatten Bauern insbesondere in Norddeutschland das Symbol zum Zeichen ihres Widerstands gewählt und die Landvolkbewegung gegründet. Sie wehrten sich gegen Restriktionen und gegen die Verweigerung staatlicher Hilfen in der Weltwirtschaftskrise. Besonders ausgeprägt war ihre Aktivität zwischen 1928 und 1930. Steuerboykott stand auf ihrer Agenda, ebenso Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Gemeindediener, die bei Pfändungen von Tierbeständen mitwirkten, mussten damit rechnen, tüchtig verhauen zu werden. Auch vor Bombenanschlägen schreckten einige Bauern nicht zurück. Sie legten Sprengsätze, etwa an Finanzämtern und Kommunalbehörden. Menschen sollen nach dem Kenntnisstand der Historiker bei solchen Aktionen nicht zu Schaden gekommen sein.

Zugleich sind viele Fachleute der Überzeugung, dass die Landvolkbewegung in weiten Teilen völkisch, nationalistisch und antisemitisch geprägt war. Die Nationalsozialisten gingen aufgrund der Bombenanschläge zunächst auf Distanz. Nachdem die Bewegung Anfang der 1930er-Jahre aber zerfallen war, fanden nicht wenige ihrer Aktivisten in der NSDAP eine neue Heimat.

Auch Michel Reinbold, Kurator im Landesmuseum Oldenburg, wo eine der historischen Schwert-Pflug-Flaggen aufbewahrt wird, blickt kritisch auf die Verwendung des Symbols bei aktuellen Aktionen. Es sei »einfach fehl am Platz«, sagte der Historiker gegenüber dem NDR. Das Zeigen der Flagge bei Bauernprotesten sei ebenso zu bewerten wie wenn Coronaleugner in Berlin schwarz-weiß-rote Reichskriegsflaggen schwenkten: »Das ist ein Anachronismus, und das weckt ganz üble Erinnerungen.«

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