Männer halten ihre Stellung

Frauen sind in vielen Bereichen im Westen noch stärker benachteiligt als im Osten

  • Lisa Ecke
  • Lesedauer: 3 Min.

Frauen sind bei der schulischen und beruflichen Qualifikation heute genauso aufgestellt wie Männer. Das ist aber auch schon das einzige positive Ergebnis einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

In der Studie wird die Entwicklung der Geschlechterungleichheiten in Ost- und Westdeutschland im Vorfeld des 30. Jahres-tags der deutschen Einheit analysiert. Bei der Erwerbsbeteiligung, der Arbeitszeit und dem Einkommen sind die Abstände zwischen Männern und Frauen im Osten demnach spürbar kleiner geworden - beim Einkommen allerdings auf insgesamt niedrigerem Niveau als im Westen. Auch bei der Rolle der institutionellen Kinderbetreuung gibt es große Unterschiede.

Die Erwerbstätigenquote westdeutscher Frauen lag beispielsweise im Jahr 2018 um gut acht Prozentpunkte unter der 80-prozentigen Quote von westdeutschen Männern. Im Jahr 1991 war der Unterschied noch fast dreimal so groß gewesen. Auch die Erwerbstätigenquote von Frauen in Ostdeutschland ist mit aktuell 73,9 Prozent höher als 1991, und der Abstand gegenüber ostdeutschen Männern ist von knapp zwölf auf gut vier Prozentpunkte gesunken.

Der Grund für diese Entwicklung ist der WSI-Analyse zufolge allerdings der starke Anstieg an Teilzeitarbeit. In Ostdeutschland sind diese Stellen bei Frauen zwischen 1991 und 2018 um rund 17 Prozentpunkte gewachsen, in Westdeutschland im selben Zeitraum um circa 14 Prozentpunkte. Trotzdem arbeiten im Westen weiterhin viel mehr Frauen in Teilzeit als im Osten. Der Anteil der Frauen, die lediglich einen Minijob haben, ist mit 17,1 Prozent im Westen sogar fast doppelt so hoch wie in Ostdeutschland mit 9,9 Prozent. Bei Männern ist Teilzeitarbeit laut WSI-Studie hingegen in beiden Landesteilen eher ein Randphänomen.

Der Gender Pay Gap, also die Kluft bei den Einkommen zwischen Männern und Frauen, fällt in Westdeutschland wesentlich höher aus als in Ostdeutschland. Während in den neuen Ländern die Einkommen von Frauen und Männern ähnlich verteilt sind, erzielen Männer im Westen häufiger hohe Einkommen, während Frauen öfter nur ein niedriges Gehalt bekommen. Weiterhin verdeutlicht der Bericht, dass Frauen in beiden Landesteilen trotz durchschnittlich höherer Qualifikation in der Regel weniger verdienen als Männer.

Bei der Sorgearbeit unterscheiden sich Ost- und Westdeutschland hingegen kaum voneinander: Überall kümmern sich zum großen Teil Frauen um die Kinder. Sie sind es, die ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt reduzieren. Große Unterschiede gibt es laut Studie allerdings weiterhin beim Angebot an institutioneller Kleinkindbetreuung. Von den Kleinkindern im Alter unter drei Jahren befanden sich 2019 in Ostdeutschland mehr als die Hälfte in einer Tagesbetreuung, in Westdeutschland jedoch nur 29 Prozent.

Wiederum kaum ein Ost-West-Gefälle existiert bei der geschlechtsspezifischen Berufswahl. Dienstleistungsberufe im Erziehungs-, Pflege- und Gesundheitsbereich sowie im Handel werden häufiger von Frauen ausgeübt. Gleichzeitig sind diese bundesweit schlechter bezahlt als technische Berufe, in denen zum Großteil Männer arbeiten. Besonders weit entfernt haben sich Ost- und Westdeutschland in den letzten Jahren laut der WSI-Studie beim Anteil von Frauen in Führungspositionen. In der zweiten Führungsebene sind Frauen im Osten, gemessen am Anteil aller Beschäftigter, zu gleichen Anteilen wie Männer vertreten. Im Westen gibt es hingegen großen Nachholbedarf.

In der Studie wird das Fazit gezogen, dass als »weiblich« geltende Tätigkeiten eine Aufwertung brauchen, und das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bessere Förderung bedarf. »Sowohl die Unterschiede zwischen Ost und West als auch die schrittweise Annäherung zeigen, dass Fortschritte bei der Gleichstellung sehr oft von Rahmenbedingungen abhängen, die am besten der Staat gestaltet - durch verbindliche Regeln und Investitionen in Infrastruktur«, kommentiert Aline Zucco, Ko-Autorin der Studie, die Ergebnisse.

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