Keine netten kleinen Eigentümer

Eigentumswohnungen sind eine Altersvorsorge auf Kosten der Mieter

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das ist eine tolle Wohnung. Wenn ich sie kaufe, dann lassen Sie doch bitte die Blumen auf dem Balkon.« Das habe ein Kaufinteressent einer Mieterin bei der Besichtigung ihrer Wohnung gesagt, berichtet Coni Pfeiffer. Sie ist Vertreterin des Berliner Netzwerks »200 Häuser«, das Mieter aus aufgeteilten Häusern vernetzt und berät. »Wir hören, dass Konzerne wie Akelius, Pears Global und Ado gerade verstärkt umwandeln«, sagt sie. Das Netzwerk fordert unter anderem ein Umwandlungsverbot für Mietwohnungen und die Begrenzung des Kündigungsrechts bei Eigenbedarf.

Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, hält die Forderungen für durchaus begründet: »Eigenbedarf wird vor Gericht in ganz vielen Punkten durchgewunken, wenn die Begründung nur halbwegs schlüssig ist, wissen wir aus unseren Rechtsberatungen.« Auf dem 7. Forum Wohnungspolitik des Berliner Mietervereins, das am Mittwochabend in Friedrichshain stattfand, wurden die Themen Umwandlung und Eigenbedarfskündigungen heiß diskutiert.

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Mit Verweis auf den Mietendeckel wird seit Monaten das Gespenst massiver Umwandlungen der nun für Investoren weniger attraktiven Mietwohnungen an die Wand gemalt. »Es wird den Versuch geben, aus den Mietwohnungen zu fliehen, aber er wird nicht besonders erfolgreich sein«, glaubt der Stadtsoziologe Andrej Holm. Bisher geben die Statistiken auch keine Hinweise auf eine Zunahme von Umwandlungen.

Von 2012 bis 2018 wurden zwar zusammengerechnet über 371 000 Eigentumswohnungen in Berlin auf Immobilienportalen angeboten, tatsächlich verkauft wurden jedoch nur fast 178 000. Angesichts der inzwischen sehr hohen Quadratmeterpreise von oft 4000 Euro aufwärts fehlten die Käufer, die sich so etwas leisten können. Und eine Vermietung ist bei sich daraus ergebenden rechnerischen Kaltmieten von rund 15 Euro pro Quadratmeter zumindest schwierig. Holm attestiert ein »Verwertungsproblem durch bereits ausgeschöpfte Selbstnutzung in Berlin«.

Christoph Trautvetter möchte aufräumen mit dem »Mythos des netten kleinen Privatvermieters, der durch den Markt gezwungen ist, hohe Mieten zu verlangen«. Er arbeitet für die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung am Projekt »Wem gehört die Stadt?«. Von den - Stand 2011 - über 381 000 Eigentumswohnungen in Berlin waren knapp 250 000 vermietet. Bis Ende 2019 wurden weitere rund 105 000 Wohnungen aufgeteilt, knapp 35 000 neu gebaut, außerdem kamen über 15 000 neue Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern hinzu. »Weiterhin werden 70 Prozent davon als Kapitalanlage vermietet«, so Trautvetter. In Außenbezirken wie Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf und Marzahn-Hellersdorf überwiegen die Selbstnutzer deutlich, in Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg oder Charlottenburg-Wilmersdorf werden bis zu 80 Prozent der Eigentumswohnungen vermietet. »Die Innenstadt wird aufgeteilt und unbezahlbar«, sagt Trautvetter.

Untersuchungen zeigen, dass Mieter von Eigentumswohnungen auch besonders von Verdrängung bedroht sind. Ihnen wird dreimal so häufig gekündigt wie Mietern von Immobilienkonzernen oder landeseigenen Wohnungsunternehmen. Außerdem liegen die Mietsteigerungen deutlich höher.

»Wohnungen sind für mich keine Form, die Altersvorsorge zu sichern. Nicht auf dem Rücken von Mietern«, sagt Coni Pfeiffer. Und kritisiert ein »Megaschlupfloch« im Baulandmobilisierungsgesetz, das gerade im Bund verhandelt wird. Aufteilung soll demnach weiter möglich sein, wenn Wohnungen mindestens zu zwei Dritteln an Mieter verkauft werden »sollen«. »Da muss ›werden‹ stehen, ›sollen‹ ist viel zu unkonkret«, fordert Pfeiffer.

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