Tauziehen der Abfallriesen

Suez-Direktion und -Belegschaft wehren sich gemeinsam gegen geplante Übernahme durch Veolia

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Weil sich der französische Konzern Suez seit Tagen gegen eine Übernahme durch seinen Konkurrenten Veolia Environnement wehrt, lenkte Veolia-Konzernchef Antoine Frérot jetzt ein. In einem Zeitungsinterview stellte er den Gewerkschaften die Erhaltung aller Arbeitsplätze in Aussicht.

Ende August hatte Veolia - das Unternehmen ist auf Abfallentsorgung, Wasser- und Energieversorgung spezialisiert - bekanntgegeben, dem Energiekonzern Engie die 30-Prozent-Beteiligung an Suez abkaufen und später auch den anderen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreiten zu wollen. Dies führte zu einem ungewöhnlichen Schulterschluss innerhalb des Unternehmens, das ebenfalls öffentliche Dienstleistungen anbietet. Betriebsrat und Direktion von Suez lehnten das Ansinnen gleichermaßen vehement ab. An einem zweistündigen Warnstreik, zu dem die Gewerkschaften vor wenigen Tagen aufgerufen hatten, nahmen demonstrativ auch zahlreiche Manager teil. Vorstandschef Bertrand Camus nannte das Vorhaben Veolias »absurd« und »schlecht für den Wettbewerb und für Frankreich«. Der Aufsichtsratsvorsitzende Philippe Varin stellte sich hinter den Ablehnungskurs des Vorstands und sprach vom »Versuch einer feindlichen Übernahme«.

Bei Veolia tut man so, als ob man die ganze Aufregung nicht versteht. Man wolle doch nur das Beste für beide Unternehmen, heißt es. Die börsennotierte Veolia-Gruppe beschäftigt 170 000 Mitarbeiter in 70 Ländern, darunter auch Deutschland. Durch eine Fusion mit Suez würde ein international führender Abfall- und Abwasserentsorgungskonzern mit einem Jahresumsatz von mehr als 40 Milliarden Euro geschaffen. Da der aus Gaz de France hervorgegangene Energiekonzern Engie heute noch zu 23,6 Prozent dem Staat gehört, hat die Regierung ein Wörtchen mitzureden. Premierminister Jean Castex nannte das Vorhaben in einer ersten - und vielleicht vorschnellen - Stellungnahme »durchaus sinnvoll«. Doch mit dieser Ansicht steht er jetzt ziemlich allein da. Veolias Plan, nach einer Übernahme von Suez dessen Wassersparte in Frankreich für 20 Jahre an den halbstaatlichen Infrastrukturfonds Meridiam abzutreten, um Bedenken der Wettbewerbsbehörden zu zerstreuen, sowie alle anderen Geschäftsbereiche so weit wie möglich zusammenzuführen, um Synergieeffekte zu nutzen, bezeichnen Wirtschaftsrechtsexperten als »verwegenes Wunschdenken«. Den vorgeschlagenen Kaufpreis von 15,50 Euro pro Aktie, wodurch sich der Deal auf 2,9 Milliarden Euro summieren würde, bezeichnete Engie schon als »völlig inakzeptabel«. Suez würde damit insgesamt auf 9,7 Milliarden Euro taxiert, was deutlich weniger wäre als vor der Coronakrise. Darum bezeichnete Suez-Chef Camus das Projekt auch als »opportunistisch und unlauter«.

Die Idee einer Fusion zwischen Veolia und Suez ist indes nicht neu; Vorstöße in diese Richtung hat es schon mehrfach gegeben, zuletzt 2012. Damals scheiterte der Versuch an kartellrechtlichen Bedenken sowie an der Furcht von Gewerkschaften und Regierung vor einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen. Darum betont Veolia-Vorstandschef Antoine Frérot jetzt die soziale Seite seiner Übernahmeofferte: Wie er in dem Interview versicherte, werde es »keinerlei Synergien bei den Arbeitsplätzen geben«. Jeder Mitarbeiter von Suez oder von Veolia, der auf seinem bisherigen Posten überflüssig werde, bekomme einen vergleichbaren anderen Arbeitsplatz innerhalb des neuen Unternehmens. Was die Besetzung von Führungspositionen angeht, sollen die Manager beider Konzerne nach einheitlichen Kriterien bewertet werden, wobei der jeweils Beste ausgewählt werden soll. Die anderen erhalten Ersatzposten in der Gruppe. Auch für Standorte, die auf Weisung der Wettbewerbsbehörde an Dritte verkauft werden müssen, seien Arbeitsplatzgarantien entscheidend für den Zuschlag.

Die nächste Etappe des Tauziehens findet an diesem Mittwoch statt: Dann wollen die Konzernchefs von Veolia und Suez ihre Positionen vor der Wirtschaftskommission der Nationalversammlung vortragen und die Parlamentarier auf ihre Seite ziehen.

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