Ein Tunnel vor Gericht

Verwaltungsgericht verhandelt über Planfeststellung zur Fehmarnbeltquerung

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Das wohl bis dato umfangreichste Umweltschutzverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) startet am Dienstag in Leipzig. Es geht um den Bau des Fehmarnbelttunnels. Auf dem juristischen Prüfstand steht der Planfeststellungsbeschluss aus dem Verkehrsministerium Schleswig-Holsteins für den Bau des Fehmarnbelttunnels zwischen Fehmarn und Lolland. Über sieben Klagen haben die Richter des neunten Senats zu entscheiden. Das auf deutscher Seite höchst umstrittene grenzüberschreitende Bauvorhaben hat so viele Prozessbeteiligte, dass das BVG die Verhandlung in die geräumigere Kongresshalle verlegt hat. Allein das kostet 109 000 Euro, die der Bund tragen muss. Vorerst sind sechs Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil wird Ende des Jahres gerechnet.

Erste Untersuchungen für eine feste Fehmarnbeltquerung reichen zurück bis 1992. Das Vorhaben mündete in einen 2008 geschlossenen deutsch-dänischen Staatsvertrag und reifte zu Europas größtem und teuerstem Infrastrukturprojekt. Anfangs sollte eine riesige Brücke gebaut werden, mittlerweile hat man sich auf einen 18 Kilometer langen Absenktunnel verständigt - es wäre der weltweit längste seiner Art. Vorgesehen ist ein kombinierter zweispuriger Eisenbahn- und vierspuriger Straßentunnel.

Konkret soll in der Meerenge zwischen Puttgarden und Roedby ein Krater mit 100 Meter Breite und bis zu 60 Meter Tiefe entstehen, in dem 89 Tunnelelemente passgenau einzusetzen sind. Um die Akzeptanz des Projekts zu steigern und gegen Proteste besser gewappnet zu sein, wurde 2011 ein Dialogforum initiiert. Trotzdem gab es auf dem Weg zum Planfeststellungsbeschluss rund 15 800 Einwendungen auf deutscher Seite.

Zu den Klägern gehört das Aktionsbündnis gegen die feste Fehmarnbeltquerung, ein seit 1994 bestehender Zusammenschluss von Fehmarner Anwohnern, Umweltschützern, Gewerkschaftern und anderen Aktivisten. Wie der Naturschutzbund NABU betont man die Gefahren für Umwelt, Ostsee und die Urlaubsregion. Kläger sind ferner die Reedereien Scandlines, Stena Line und Nordö-Link. Besonders Scandlines, die den aktuellen Fährbetrieb zwischen Fehmarn und Lolland leistet - in je 45 Minuten - und täglich rund 6000 Fahrzeuge befördert, sieht sich mit der Tunnelquerung beim jetzigen Planungsstand in einem ungleichen Wettbewerb und hadert mit der vorgesehenen Puttgardener Hafenanbindung. Kläger ist auch ein Landwirt, der für die Bereitstellung von Grund und Boden Entschädigung fordert. Die Stadt Fehmarn klagt wegen negativer Auswirkungen auf den Tourismus vor allem während der Bauphase.

Als Argument pro Tunnel wird meist eine kürzere Fahrzeit auf Straße und Schiene angeführt. Mit Pkw soll der Tunnel in zehn Minuten durchquert sein und die Bahnverbindung Kopenhagen-Hamburg von fünf auf unter drei Stunden sinken.

Für Unruhe bei den Beklagten sorgte im Sommer die Nachricht, dass sich in der Fehmarnbelt-Meerenge des Tunneltrassenverlaufs mindestens ein in den Bauunterlagen nicht eingezeichnetes zu schützendes Riff befindet. Dies ist vom Kieler Umweltministerium bestätigt worden. Vorige Woche räumte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) ein, dass eine etwaige Planergänzung auf BVG-Vorhalt zwar das Verfahren weiter verzögern, das Gesamtprojekt aber nicht gefährden würde.

Dänemark will unterdessen vorab Tatsachen schaffen. Das dortige Bauministerium hat für Anfang 2021 den Baubeginn angeordnet, entsprechende Vorarbeiten sind längst gestartet worden. Beim nördlichen Nachbarn liegt seit 2015 Baurecht vor. Es hatte dort nur rund 50 Einwendungen gegeben. Auf deutscher Seite wird frühestens Ende 2022 mit ersten Bautätigkeiten gerechnet. Rund acht Jahre Bauzeit sind veranschlagt.

Auch wegen der immens gestiegenen Kosten für den Tunnelbau fordert der Naturschutzbund einen Ausstieg aus dem Projekt - eine Option, die der Staatsvertrag zulässt. Die Baukosten werden allein für Dänemark auf 7,5 Milliarden Euro taxiert, die über Mautgebühren refinanziert werden sollen. Den deutschen Steuerzahler kostet die Beteiligung an der Hinterlandanbindung laut Bundesrechnungshof statt ursprünglich veranschlagten 800 Millionen dann 3,5 Milliarden Euro. Doch über diesen politischen Streit hat das BVG nicht zu befinden.

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