Feurige Nächte, kyrillischer Teint

»Balkan Beats« von Berlin bis New York: zur Politik eines Partyformats.

  • Paula Balov
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Flyer für die »Balkanparty« verspricht ein DJ-Set mit »feurigen Beats« und »orientalischen Rhythmen«. Die Buchstaben darauf heben einen leichten kyrillischen Teint. Aus den Boxen dröhnen traditionelle Blechblasklänge gepaart mit modernen Clubsounds. Das Publikum besteht mehrheitlich aus deutschen Reggae-Fans, die vom bunten Balkan-Potpourri offenbar kaum genug kriegen können. So sieht der klassische »Balkan Beats«-Abend aus. Das Party-Format war ursprünglich ein Berliner Nischenphänomen, ist heute aber weit verbreitet. Nicht nur in verschiedenen deutschen Städten, sondern auch in London, Paris und sogar New York gibt es Partyreihen dieser Art.

Balkan-Beats-Partys sind dafür berühmt, mit Klischees zu spielen: Hier wird laut dem Hedonismus gefrönt, mit Rakija und Reigentanz. Das ist oft ziemlich unterhaltsam. Zugleich lauern hinter den fröhlich gefeierten Klischees oft auch negative Konnotationen: das Bild vom affektgetriebenen, zügellosen Südosteuropäer. Für die westliche Zielgruppe macht gerade die Übertreibung der Klischees den Reiz des Partyformats aus - umso östlich-exotischer, desto besser. Die ernste Frage ist daher berechtigt: Sind solche Partys orientalistisch? Bedient dort das Tanzen und Trinken eurozentrische, herabwürdigende Bilder?

Die Antwort darauf erfordert einen kleinen partyhistorischen Exkurs: Der Pionier der »Balkan Beats« heißt Robert Šoko, besser bekannt als DJ Soko. 1989 zog er von Zenica nach Berlin; einige Jahre später begann er, Partys zu veranstalten. Unter den Gästen waren viele Geflüchtete, so vereinte DJ Soko die vom Krieg zerrissene jugoslawische Diaspora auf der Tanzfläche. Die Idee, traditionelle Klänge in sein DJ-Set einzubauen, entsprang einer punkigen Attitüde: Um sich von Nationalismen abzugrenzen, schuf er eine Szene, die religiös und ethnisch nicht klar definiert war. Es mag vielleicht etwas ungewöhnlich erscheinen, hierbei ausgerechnet Volksmusik einzusetzen. Doch war es nicht irgendein Folk-Genre, sondern die Brass-Musik der Roma: Gerade die Musik, die überall in der Balkanregion gespielt wird und daher von keiner jugoslawischen Nation vereinnahmt werden kann, bot im Exil eine neue kulturelle Heimat. So bekam das Spiel mit diesen Klischees ein ermächtigendes Element.

Die Schattenseite ist der Antiromaismus: Diejenigen, auf die Stil und Sound dieser Partys verweisen, profitieren oft wenig von ihrem Erfolg - trotz gelegentlicher Teilhabe als Musizierende und obwohl »Gypsy Music« fast synonym für Balkan Beats steht. Die Klischees der »feurigen Nächte« rufen romantisierte Bilder von Armut und eines »nomadischen«, gar »primitiven« Freiheitsgefühls auf, die tatsächliche Roma in der Deutungshoheit ihrer selbst beschneiden. Und dass die ihrerseits oft selbst marginalisierte Balkan-Diaspora auf diesen Partys von jenem Antiromaismus ganz frei ist, auf den sich noch die verfeindetsten ex-jugoslawischen Nationalismen einigen können, möchte nun auch niemand pauschal beschwören.

Was DJ Soko auf die Tanzflächen brachte, ist genau das kulturelle Schema, das zuvor Emir Kusturica in Filmen wie »Time of the Gypsies« inszeniert und Goran Bregović vertont hat. Seither ist in der westlichen Imagination der Balkan mit romantisch-verklärten Bildern von Roma verwoben. Die Balkan-Partys sind einerseits Feiern des Orientalismus, weil sie letztlich rassistische Bilder glorifizieren und für den westlichen Mainstream konsumierbar machen, denn Exotik macht sich bezahlt. Zugleich steht das Genre für Kosmopolitismus, Anti-Nationalismus und postmigrantisches Selbstbewusstsein. Auch interpretieren Romani-Projekte wie das Show-Format GRUBB - Gypsy Roma Urban Balkan Beats - die Balkan Beats neu und selbstermächtigend. Ganz auflösen lassen sich diese Ambivalenzen nicht. Es ist aber gut, dieselben im Kopf zu haben, ob man nun tanzen mag oder nicht.

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