Meister der Aktivisten

LeBron James gewinnt seinen vierten NBA-Titel - und wird politisch immer aktiver

Es wäre wohl legitim, am Tag nach dem nächsten großen Triumph nur über die sportlichen Vorzüge von LeBron James zu berichten. Davon, dass der 35-Jährige durch den 106:93-Sieg gegen die Miami Heat nun schon seine vierte Meisterschaft in der nordamerikanischen Basketballliga NBA gewonnen hat, und das als Mitglied der Los Angeles Lakers mit seinem dritten Team. Oder davon, dass er wieder völlig zurecht als wertvollster Finalspieler (MVP) ausgezeichnet wurde. Oder davon, dass er mit 28 Punkten, 14 Rebounds und zehn Vorlagen im entscheidenden sechsten Endspiel ein Triple-Double auflegte. Das kommt ohnehin recht selten vor - nur 21 andere Spieler schafften das -, aber für James war es schon das elfte Mal, womit er einsamer Rekordhalter ist.

Doch LeBron James ist längst weit mehr als ein Basketballstar. Er ist zu einem politischen Sprachrohr der schwarzen Minderheit in den USA geworden, die es nicht mehr hinnimmt, wenn ihresgleichen von rassistischen Polizisten ungestraft ermordet werden. Und sie toleriert nicht mehr, wenn Schwarzen das Wahlrecht beschnitten wird. Da aber diese Themen gerade jetzt so bedeutsam sind in den USA - und in der NBA -, hat die Liga mit James einen Sieger gefunden, der nicht besser hätte passen können.

Als George Floyd im Mai 2020 von einem Polizisten zu Tode gewürgt worden war, pausierte die NBA gerade coronabedingt. Viele Basketballer der von schwarzen Spielern dominierten Liga zog es mit Millionen anderen Protestierenden auf die Straßen. Dann kam die Bubble, jene Blase, in der die NBA ihre Meisterschaft endlich zu Ende bringen wollte. Stars wie LeBron James fürchteten, dass ihr politisches Engagement damit zum Schweigen gebracht werden könnte.

Also setzten sie durch, dass ihr Aktivismus in Florida nie vergessen wurde. Plötzlich durften Spieler bei der Nationalhymne knien, fast alle taten das auch. »Black Lives Matter« stand groß auf dem Parkett und weitere politische Slogans auf den Trikots der Spieler.

James prangerte schon vor Jahren Rassismus in US-Justizapparaten an, für ihn war der Kampf also nicht neu. Doch spätestens als Mitte August erneut ein Polizist auf den unbewaffneten Schwarzen Jacob Blake schoss, reichten James all die symbolischen Gesten nicht mehr. Kurz zuvor hatte er »More Than A Vote« mitgegründet, eine Initiative, die mehr schwarze Wähler an die Wahlurnen bringen sollte, um so einen politischen Wandel herbeizuführen. Nach den Schüssen auf Blake war James während einiger Streiktage einer von jenen Spielern, die für ein vorzeitiges Ende der Saison plädierten. Da dies jedoch Minderheitenmeinung blieb, setzte James zumindest durch, dass die NBA und ihre Klubeigner aktiver wurden im Kampf gegen Rassismus und Wählerunterdrückung.

James und seine Teamkollegen schrieben statt »Black Lives Matter« nun »Vote« auf ihre Trainingsshirts, also die Aufforderung, wählen zu gehen. Viele NBA-Hallen werden am 3. November erstmals zu Wahllokalen umfunktioniert. Statt Werbespots lasen die Kommentatoren mitten in den Spielen Anleitungen vor, wie sich Zuschauer zur Wahl registrieren könnten.

Mit »More Than A Vote« geht James außerhalb der Blase noch weiter. In Texas bezahlt die Initiative einen Fahrdienstleister, der Wähler zu den wenigen Stellen bringt, an denen man schon vor dem Wahltag Stimmzettel abgeben kann. Der republikanische Gouverneur hatte derlei Drop-Boxes mit Absicht reduziert, um Schwarzen in dicht besiedelten Städten die Wahl zu erschweren. In Florida kommt »More Than A Vote« für gerichtliche Strafzahlungen für Menschen auf, die ihre Haftzeit abgesessen haben, aber wegen ausstehender Zahlungen noch immer nicht wählen dürfen. Auch diese Hürde ist von Republikanern aufgestellt worden und betrifft vornehmlich Schwarze und Latinos. Überall im Land hat James zudem mehr als 10 000 junge Menschen als Wahlhelfer angeworben, um die vielen ausfallenden Senioren zu ersetzen, die wegen Corona diesmal nicht in Wahllokalen sitzen werden.

»In den letzten Tagen habe ich ein paarmal darüber nachgedacht, wie erfolgreich wir hier waren«, sagte James am Abend des Erfolges. Doch damit meinte er nicht nur seinen Finaleinzug und letztlich den Titelgewinn. »Wir haben die NBA dazu gebracht, über soziale Ungerechtigkeit zu reden, über Wählerunterdrückung, über Polizeibrutalität. Alle Spieler waren vereint, und darüber wird man noch in vielen Jahren reden.« Vielleicht sogar noch mehr als über seine vierte Meisterschaft.

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