Die Zivilgesellschaft unterschätzt

Susanne Romanowski zu den Frauenprotesten in Polen

  • Susanne Romanowski
  • Lesedauer: 2 Min.

»Dies ist ein Krieg«, skandieren derzeit Zehntausende bei den Protesten gegen das massiv verschärfte Abtreibungsrecht in Polen. Jarosław Kaczyński dürfte sich die Hände reiben. Der Vizeregierungschef der PiS-Partei nimmt die Rhetorik der Protestierenden nämlich als Aufhänger für die Fortschreibung des Märtyrerdiskurses der Nationalist*innen: Polen als Opfer, Polen umzingelt. Die PiS nutzt die historischen Traumata des Landes seit Jahren als Blankoscheck für ihre autoritären Maßnahmen.

Weil manche Protestierende ihre Wut an Kirchenwände malen, rief Kaczyński zum Gegenangriff auf. Polens Kirchen müssten vor »Linksextremen« geschützt werden - »um jeden Preis«. In Warschau fuhr ein Mitglied des Inlandsgeheimdienstes mit dem Auto zwei Demonstrantinnen an. Auch Rechtsextreme folgten dem Aufruf. Umfragen zeigen, dass Kaczyński nicht für die Mehrheit der Pol*innen kämpft. Diese unterstützen die Proteste. Nur elf Prozent der Befragten sind für ein grundsätzliches Abtreibungsverbot. Ironischerweise wird Kaczyńskis Ansprache bisweilen mit der Ausrufung des Kriegsrechts 1981 durch Präsident Wojciech Jaruzelski verglichen. Zwar kann man die Situationen nicht gleichsetzen, aber ihnen ist eines gemein: Beide Staatsmänner haben die polnische Gesellschaft mächtig unterschätzt.

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