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Ewiger Skandal: Renten an SS-Angehörige im Ausland
Antifaschistische Verbände protestieren gegen fortlaufende Zahlung von Pensionen an im Krieg verwundete Nazischergen
Manche Dinge ändern sich offenbar nicht: 75 Jahre nach Beginn des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses werden Nazikollaborateure im Ausland noch immer vom deutschen Staat alimentiert. Anlässlich des Jahrestages wandten sich am Mittwoch Vertreter belgischer, deutscher und internationaler antifaschistischer Organisationen an Abgeordnete des Bundestages. Sie fordern das Ende der Pensionszahlungen an ehemalige Freiwillige der Waffen-SS in Belgien.
In der von Repräsentanten der belgischen »Groep Herinnering – Group Memoire« (GH-GM), der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) aus Deutschland und der Féderation Internationale des Résistants (FIR) – Association Antifasciste, der Dachorganisation der Veteranenverbände Europas unterzeichneten Protestnote wird daran erinnert, dass das Nürnberger Tribunal die SS und ihre Gliederungen, also auch die Waffen-SS und ihre internationalen Freiwilligen, als »verbrecherische Organisation« einstufte.
Bei den Zahlungen handelt es sich um Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), das 1950 in Kraft trat. Damit sollten deutschstämmige Kriegsgeschädigte und ihre Hinterbliebenen unterstützt werden. Dies betraf und betrifft Zivilisten wie auch ehemalige Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS. Letztere war für viele Gräueltaten in den von Deutschland überfallenen Ländern verantwortlich. Einst dürften mehrere Zehntausend Kollaborateure etwa aus Lettland, der Ukraine und eben Belgien Renten nach dem BVG bezogen haben. Denn insgesamt ging die Zahl derer, die in besetzten Gebieten die Nazis unterstützten oder gar für sie kämpften, in die Millionen. Allein rund eine Million Sowjetbürger waren Angehörige etwa der Ostlegionen der Wehrmacht oder der Wlassow-Armee. Zur Waffen-SS gehörten rund 200 000 Ausländer und 310 000 »Volksdeutsche«. Heute beziehen jedoch nur noch wenige Nazikollaborateure im Ausland deutsche Pensionen, alle über 90 Jahre alt.
In Belgien setzen sich Abgeordnete des Parlaments seit Jahren gegenüber der Bundesrepublik für ein Ende der Zahlungen an dort lebende Nazikollaborateure ein, bislang allerdings ohne Erfolg. Zuletzt forderte das Parlament in Brüssel die deutsche Regierung im März 2019 auf, diese einzustellen.
Die antifaschistischen Organisationen zeigen sich in ihrem Schreiben empört über den »jahrzehntelangen Skandal«, dass die Zahlungen an ausländische Freiwillige von SS-Verbänden bisher »von keiner Bundesregierung in Frage« gestellt wurden. Zugleich habe die deutsche Exekutive auf Anfragen aus Nachbarländern zu den Empfängern der Leistungen Informationen mit formellen Argumenten verweigert. So erklärte die Bundesregierung, sie sei nicht befugt, Informationen über »Landsleute« an eine »fremde Macht« weiterzugeben. Der Hintergrund: 1941 ermöglichte das Hitler-Regime militärischen Kollaborateuren die Annahme der deutschen Nationalität.
»75 Jahre nach der Befreiung können und wollen wir diese Hinhaltetaktik nicht mehr akzeptieren«, stellen die Verbandsvertreter in ihrer Resolution klar. Nach ihren Informationen wurden verurteilten Kriegsverbrechern sogar Haftstrafen als Dienstjahre für Deutschland angerechnet, was zur Rentenerhöhung beigetragen habe.
Die Abgeordnetenkammer in Brüssel erklärte in einer Entschließung vom 14. März, die Rentenzahlungen an ehemalige Nazis stünden im Widerspruch »zum Friedensprojekt der europäischen Einigung« und seien den »guten bilateralen Beziehungen zwischen Belgien und der Bundesrepublik Deutschland abträglich«. Die Parlamentarier forderten die belgische Regierung auf, Berlin »zu ersuchen, die Rentenzahlungen an belgische Kollaborateure einzustellen«. Zudem monierten sie die enorme Differenz zwischen den Entschädigungsleistungen für NS-Opfer und den Leistungen für Nazis. Das Brüsseler Parlament regte auch ein deutsch-belgisches Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der Zeit der Okkupation Belgiens durch Nazideutschland und zur Kollaboration an.
Im Bundestag unterstützt die Linksfraktion diese Forderungen. Im April 2019 stellte sie eine parlamentarische Anfrage zum Thema. Der Antwort aus dem Sozialministerium vom 15. Mai 2019 zufolge kann und darf die Deutsche Rentenversicherung (DRV) nicht ermitteln, wie viele der belgischen Leistungsempfänger Angehörige der Waffen-SS waren. Nach Information des Parlaments in Brüssel bezogen 2019 noch 18 Kollaborateure deutsche Renten. Der belgische NS-Forscher Alvin De Coninck sagte der belgischen Zeitung »De Morgen«, diese Männer erhielten zwischen 425 und 1275 Euro monatlich. Demgegenüber hätten Belgier, die während in Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten, Entschädigungszahlungen »von 50 Euro im Monat« bekommen.
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