Stunde der Wahrheit für Sarkozy

Frankreichs ehemaliger Präsident steht wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit in Paris vor Gericht

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicolas Sarkozy, der zwischen 2007 und 2012 das höchste Staatsamt Frankreichs bekleidete, muss sich im Zusammenhang mit der illegalen Finanzierung seines Präsidentschaftswahlkampfes von 2007 nun dafür verantworten, dass er einen hohen Richter bestochen haben soll. Mit Sarkozy sind sein Anwalt Thierry Herzog und der ehemalige Richter Gilbert Azibert angeklagt, versucht zu haben, die juristische Aufarbeitung der Vorwürfe wegen illegaler Wahlkampffinanzierung zu torpedieren. Der heute 65-jährige Sarkozy will vor den Richtern erscheinen und »kämpferisch« seine »Ehre verteidigen«. Vor ihm wurde mit Jacques Chirac bereits einmal ein Präsident von der Justiz verfolgt, weil er in den Jahren 1977-1997 als Pariser Bürgermeister Mitarbeiter seiner Parteizentrale aus der Stadtkasse bezahlen ließ. Dafür wurde Chirac, der zwischen 1997 und 2007 als Präsident Immunität genossen hat, erst 2011 zu zwei Jahren Gefängnis mit Bewährung verurteilt.

Der jetzt beginnende Prozess fußt darauf, dass die Ermittlungsrichter 2013/14 bei ihren Untersuchungen die Telefone von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy abhören ließen und dabei entdeckten, dass er sich über eine geheime Linie und unter dem Pseudonym Paul Bismuth mit seinem Anwalt beriet. Da sich beide dabei vor Mithörern sicher fühlten, sprachen sie ganz offen und ungehemmt miteinander. So erfuhren die Untersuchungsrichter, dass der Anwalt Herzog auf Bitten von Sarkozy den seinerzeitigen hohen Richter Azibert aufgefordert hat, beim Kassationsgericht Informationen aus der Akte Sarkozy zu beschaffen und seine Richterkollegen zugunsten des Präsidenten zu beeinflussen.

In einem Verfahren um illegale Wahlkampffinanzierung durch die Industriellenwitwe Liliane Bettencourt war Sarkozy zwar mangels ausreichender Beweise freigesprochen worden, aber trotzdem ging der Präsident vors Kassationsgericht, um die Herausgabe seiner Kalender und Notizbücher zu erzwingen, die ihn in weiteren Verfahren hätten belasten können. Im Gegenzug versprach der seinerzeit amtierende Präsident Sarkozy, sich beim Prinzen von Monaco dafür einzusetzen, dass Azibert auf einen von ihm angestrebten prestigereichen Posten im Zwergstaat berufen wird. Gemäß einem Abkommen aus den 1950er Jahren werden viele wichtige Posten in Monaco durch französische Beamte besetzt, weil es dem Prinzentum dafür an eigenen Kadern fehlt.

Der Richter Azibert hat tatsächlich die von Sarkozy gewünschten Informationen beschafft, während der Präsident auf seine Intervention in Monaco verzichtet hat, weil sich inzwischen der Verdacht gegen ihn verdichtet hatte. Wegen Bestechung und Amtsmissbrauch drohen sowohl Sarkozy als auch Herzog und Azibert jetzt bis zu zehn Jahre Gefängnis und eine Million Geldstrafe.

Der Ex-Präsident, der alle Verfahren als Intrige seiner politischen Gegner zu disqualifizieren versucht, hat durch wiederholte Verfahren versucht, die Abhörprotokolle als gegenstandslos verurteilen zu lassen, weil das Abhören von Anwälten gesetzlich verboten ist. Zwar ist er von der Justiz stets abgeschmettert worden, doch wird er das Thema zweifellos jetzt wieder aufwerfen.

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