Ein Pokalmärchen aus Brandenburg

Die Netzhoppers KW-Bestensee ziehen überraschend ins Finale um den Volleyballpokal ein. Auch da sind sie nicht chancenlos

Als seine Teamkollegen wild durch die Gegend hüpften, sank Dirk Westphal erst mal auf die Knie. Halb vor Erschöpfung, halb vor Überraschung, dass er, der 34-jährige ehemalige Nationalspieler, auf seine alten Tage noch mal ins Endspiel um den Deutschen Volleyballpokal eingezogen war. Und das auch noch mit den Netzhoppers KW-Bestensee. »Wir haben den zweitniedrigsten Etat der Bundesliga, aber mit viel Herz, Willen und ehrenamtlichem Engagement schlagen wir hier die Großen. Das ist was ganz Besonderes«, sagte der WM-Dritte von 2014.

Den größten Rivalen, Serienmeister Berlin Volleys, hatten die Netzhoppers schon im Viertelfinale rausgekickt. Doch auch der Gegner vom Donnerstagabend, die Volleys aus Herrsching, stehen in der Bundesliga vor den Brandenburgern. Favorit waren sie also wieder nicht. Am Ende jubelten aber wieder die Außenseiter nach einem dramatischen 3:2-Erfolg. Mit 0:2 hatte Bestensee schon zurückgelegen, wehrte im fünften Satz dann drei Matchbälle ab, bevor man den neunten eigenen zum 26:24 endlich verwandelte. »Es war ein Spiel mit zwei Gesichtern: von kompletter Verkrampftheit zu kompletter Lockerheit und Ekstase. Da war alles dabei, was diesen Sport so schön macht«, fasste Westphal die Partie danach zusammen.

Dass neben dem SC Potsdam bei den Frauen nun ein zweiter Brandenburger Verein Ende Februar zum Finaltag nach Mannheim fährt, ist eine Sensation. Zwar spielen die Netzhoppers seit Jahren in der Bundesliga, aber noch nie hatten sie bislang Endspiele um Titel erlebt. Dafür fehlt es auch an finanzieller Stärke. »Der Verein hat aber zu Unrecht das Image des grauen Mäuschens und des Stillstands«, sagte Westphal. »Viele Leute arbeiten hart und verzichten auf Urlaub, um den Verein voranzubringen. Jetzt haben wir gezeigt, wie viel Professionalität in uns steckt. Das ist eine Meilenstein für die Zukunft.«

Der Außenangreifer, der sogar das Zeug für den derzeit vakanten Managerposten im Verein haben dürfte, hofft, dass der Erfolg auch lokalpolitisch wirksam wird: »Das könnte uns helfen, Einfluss zu bekommen. Wir brauchen eine neue Halle, sonst gehen bei uns die Lichter aus. Heute haben wir bewiesen, dass wir eine Daseinsberechtigung haben.« Tatsächlich ist die Heimarena nicht fernsehtauglich, in der Bundesliga gilt noch zwei Jahre lang eine Ausnahmegenehmigung, dann muss der Verein wahrscheinlich umziehen - so wie am Donnerstag, als das Halbfinale live übertragen und daher in Potsdam ausgetragen wurde.

Auch wenn es finanziell oft hakt, sportlich läuft es umso besser. Dabei mussten im Sommer viele Spieler und der Trainer neu verpflichtet werden. Mit dem Belgier Christophe Achten, der nach dem Rückzug des TV Rottenburg vereinslos geworden war, zog Bestensee aber das Glückslos. »Er hebt uns auf ein neues Level. Ich bin sehr glücklich, dass er sich für uns entschieden hat«, sagte Westphal. Auch Aufsichtsratschef Edmund Ahlers ist begeistert von Achten: »Die Mannschaft funktioniert als Team. Die Punkte verteilen sich auf mehr Spieler, dadurch sind wir weniger berechenbar.«

Achten selbst gab alles Lob sofort zurück ans Team. Speziell ein Kanadier hatte es ihm diesmal angetan: »James Jackson war bisher ganz schlecht, ich konnte ihn nicht einmal einsetzen, und heute dreht er das Spiel für uns. Diese Mannschaft ist verrückt. Ich liebe sie.« Das Pokalendspiel sei sein Traum gewesen, allerdings keiner, den er je verheimlicht hatte: »Ich sagte dem Verein schon zu Beginn, dass ich einen Bonus für den Finaleinzug haben will«, freute sich Achten nun. »Egal wie unwahrscheinlich, man muss daran glauben. Und ich gehe in jedes Spiel, um es zu gewinnen.«

Da im anderen Halbfinale mit Friedrichshafen auch der zweite große Favorit mit 2:3 gegen Frankfurt verlor, fingen Funktionäre, Trainer und Spieler der Netzhoppers sogar schon an, vom Titel zu träumen. Nur Westphal nicht. »Zeit, die man mit Träumen verbringt, ist vergeudete Zeit«, sagte er. »Man muss täglich hart arbeiten. Aber wenn wir das tun, spielen wir auch in Mannheim eine gute Rolle.«

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