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Als Kind nach Auschwitz deportiert
Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert an Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma in der Nazizeit
Neun Jahre war Mano Höllenreiner alt, da wurde er mit seiner Familie aus München ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Später gelangte er in die Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen, konnte schließlich beim Todesmarsch im Frühjahr 1945 fliehen und überlebte. Doch 36 seiner Angehörigen wurden ermordet.
Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, schilderte dieses Schicksal in einem am Mittwoch veröffentlichten Video. Anlass war der Jahrestag des sogenannten Auschwitz-Erlasses. Dieses Dokument hatte SS-Reichsführer Heinrich Himmler am 16. Dezember 1942 unterzeichnet und damit die Deportation von 23 000 Sinti und Roma aus den europäischen Ländern in seinem Machtbereich angeordnet. Es befanden sich unter ihnen mehr als 10 000 deutsche Sinti und Roma.
»Die Verfolgung dieser Minderheit begann allerdings wesentlich früher und war hier in Oranienburg besonders deutlich zu spüren«, erklärte Drecoll. »Für über 1000 Sinti und Roma war das KZ Sachsenhausen ein Ort von Terror, Misshandlung und Mord.« Viele von ihnen seien in berüchtigte Arbeitskommandos wie das im Klinkerwerk gesteckt worden. Es sei besorgniserregend, dass Diskriminierung von Sinti und Roma und anderen Minderheiten heute noch an der Tagesordnung sei, sagte der Stiftungsdirektor. Angesichts dessen halte er es für sehr wichtig, weiter aufzuklären und die Erinnerung wachzuhalten.
Besucherzahl sinkt wegen Coronakrise
Das Gedenken an die Folgen des Auschwitz-Erlasses war am Mittwoch wegen der Corona-Pandemie nur digital möglich. Am selben Tage waren alle Gedenkstätten der Stiftung bis voraussichtlich 10. Januar geschlossen worden, wie Stiftungssprecher Horst Seferens auf Anfrage mitteilte. Vorher war auch nur das Freigelände der Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen zugänglich, die Museen und Bibliotheken blieben für Besucher gesperrt. Da die beiden Gedenkstätten in Brandenburg/Havel - für die Opfer der Euthanasiemorde und des Zuchthauses auf dem Görden - über kein Freigelände verfügen, konnten diese bereits seit Mitte November nicht mehr besichtigt werden.
Die Einschränkungen während der seit dem Frühjahr andauernden Coronakrise haben Folgen: »Die Besucherzahlen liegen insgesamt deutlich unter denen des Vorjahres«, erläuterte Seferens. »Vor allem in der Gedenkstätte Sachsenhausen, wo es einen hohen Anteil internationaler Besucher gab, ist der Rückgang drastisch: Gegenüber 700 000 im Vorjahr sind es jetzt 145 000.«
Das Erinnern an die von den Faschisten verfolgten Sinti und Roma sollte aber keinesfalls unter den Tisch fallen. Deshalb filmte die Stiftung, wie Gedenkstättenleiter Drecoll und seine Stellvertreterin Astrid Ley in Sachsenhausen einen Kranz aufnehmen, durch das historische Lagertor und über das Gelände tragen und schließlich am Mahnmal »Station Z« niederlegen. Zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus tragen Drecoll und Ley Masken. Man erkennt sie deshalb nicht ohne Weiteres. Die Stiftung stellte das Video am Mittwochmittag ins Internet und veröffentlichte auch ein Foto von der Kranzniederlegung.
Diskriminierung bis heute
Dort ebenfalls zu finden sind seitdem zuvor aufgezeichnete Ansprachen von Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, und von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
»Allmählich verstummen die Stimmen derer, die Zeugnis ablegen können von diesem beispiellosen Menschheitsverbrechen«, mahnte Romani Rose. Es gehe nicht darum, den nachgeborenen Generationen der Deutschen Schuld zuzuweisen. Der Sinn des Erinnerns bestehe in der »gelebten Verantwortung für die Gegenwart«. Es beunruhigt Rose, dass rechte Parteien mit völkischem Denken auftreten, das zurückzuführen sei auf die Ideologie des Faschismus. Es beunruhigt ihn auch, dass sich in Thüringen Thomas Kemmerich (FDP) am 5. Februar mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ und sein Amt nach Protesten erst am 4. März abgab. Es beunruhigt ihn weiterhin, dass die CDU in Sachsen-Anhalt erwog, gemeinsam mit der AfD gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühren zu stimmen. Dieser Tabubruch sei gerade noch verhindert worden.
Brandenburgs Ministerpräsident Woidke nannte die Erinnerung an die Ermordung der Sinti und Roma in der Nazizeit eine »immerwährende Aufgabe«. Lange fehlte in der Bundesrepublik das Mitgefühl für das schwere Leid der Opfer und ihrer Angehörigen, bedauerte er. Um den Kampf gegen die Ausgrenzung der Sinti und Roma müsse sich die gesamte Gesellschaft kümmern.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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