Urteile im Terrorprozess sollen Signal aussenden

Vier Jahre bis lebenslänglich für Helfer der Anschläge 2015 in Paris auf die Redaktion von »Charlie Hebdo« und einen jüdischen Supermarkt

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

»Dies war ein historischer Prozess, und die Strafen sind angemessen. Ich hoffe, dass das Signal verstanden wird und hilft, künftig solche Dramen zu verhindern.« Mit diesen Worten reagierte am Mittwoch in Paris Richard Malka, Anwalt der Zeitschrift »Charlie Hebdo«, auf das Urteil im Prozess gegen 14 Komplizen und Helfer der Terroristen. Die Brüder Cherif und Said Kouachi hatten am 12. Januar 2015 in der Redaktion von »Charlie Hebdo« elf Menschen ermordet und anschließend einen Polizisten. Mit ihnen abgestimmt, erschoss Amedy Coulibaly am nächsten Tag auf offener Straße eine Polizistin und nahm bei einem Überfall auf den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher Kunden und Angestellte als Geiseln, von denen er vier ermordete.

Dass die drei Terroristen auf der Anklagebank fehlten und sich ihrer Strafe entzogen, indem sie den »Märtyrertod« durch Polizei-Kugeln suchten, belastete als große Frustration diesen Prozess. Da nur gegen Helfer und Helfershelfer der Täter verhandelt werden konnte, musste die Justiz dem unausgesprochenen Verdacht begegnen, dass hier »die Lebenden für die Toten zahlen« sollten.

Weil keine zivilen Geschworenen der Gefahr einer Vergeltung durch radikale Islamisten ausgesetzt werden sollten, fand das Verfahren vor einem Sondergerichtshof statt, der ausschließlich mit Berufsrichtern besetzt war. Diese urteilten sachlich nach Lage der mitunter dürftigen Beweise und blieben bei den meisten Angeklagten unter dem geforderten Strafmaß. Sie verurteilten diese zu Gefängnisstrafen zwischen vier und 30 Jahren und nur in einem Fall zu lebenslänglicher Haft.

Der aus der Türkei stammende 35-jährige Hauptangeklagte Ali Riza Polat, ein enger Freund der drei Täter, der sich wie sie als Kleinkrimineller im Gefängnis radikalisiert und mit ihnen die Anschläge vorbereitet hatte, wurde zu 30 Jahren verurteilt. Die anderen zehn anwesenden Angeklagten, die bei der Tatvorbereitung halfen, indem sie Waffen und Munition oder Autos und Unterkünfte besorgten, erhielten zwischen vier und 20 Jahren Gefängnis.

Bei den meisten der Angeklagten sah das Gericht die »Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung« als erwiesen an, was sich strafverschärfend auswirkte. Andere konnten glaubhaft machen, dass sie von den Plänen der drei Attentäter nichts geahnt hatten, sodass ihnen lediglich »Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung« vorgeworfen wurde.

Gegen drei Angeklagte wurde in Abwesenheit verhandelt. Die Brüder Mohamed und Mehdi Belhoucine, von denen der erste zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde, sind in Syrien verschollen und möglicherweise tot. Hayat Boumeddiene, die Lebensgefährtin von Coulibaly, wurde zuletzt vor Monaten in Syrien in einem Lager für gefangene Kämpfer des »Islamischen Staates« gesehen, aus dem sie allerdings flüchten konnte. Auf sie warten jetzt 30 Jahre Haft.

Der Prozess, der Anfang September begonnen hat und sich mit seinen 54 Verhandlungstagen wegen der Corona-Erkrankung eines der Angeklagten einen Monat länger hinzog als geplant, sprengte in vieler Hinsicht die gewohnten Dimensionen. Wegen seiner historischen Bedeutung wurde er ausnahmsweise komplett gefilmt und die Aufnahmen kommen jetzt ins Staatsarchiv.

Die Prozessakte umfasste mehrere 10 000 Seiten, es wurden 147 Zeugen und 14 Experten angehört, und insgesamt 94 Anwälte waren als Verteidiger der Angeklagten oder als Prozessvertreter von insgesamt rund 200 Nebenklägern anwesend. Bei Letzteren handelt es sich entweder um Personen, die bei den Überfällen als Geiseln genommen wurden, oder um Familienangehörige der insgesamt 17 Todesopfer der drei Terroristen. Michel Catalano, in dessen Druckerei in einem kleinen Ort der Pariser Region die Flucht der Brüder Kouachi zufällig endete und der von ihnen über Stunden als Geisel festgehalten wurde, meint: »Der Prozess war eine harte Prüfung für mich und meine Familie. Ich habe alles noch einmal durchgemacht und bin froh, dass es jetzt vorbei ist.«

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