Der Terror trifft das bettelarme Niger

Mehr als 70 Tote bei schwerem Anschlag auf zwei Dörfer

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Zeitlich fallen die Ereignisse zusammen: Am selben Tag, als in Niger die vorläufigen Ergebnisse der Präsidenten- und Parlamentswahlen bekannt gegeben wurden, schlugen die Terroristen zu. Dabei haben Bewaffnete mindestens 70 Menschen getötet und mehr als 20 weitere verletzt. Das sagte Innenminister Alkache Alhada am Sonntag. Alhada bezeichnete die Angreifer als Dschihadisten. Im Niger und den anderen Ländern dieser Region sind etliche Terrorgruppen aktiv, die Al-Qaida oder dem Islamischen Staat (IS) die Treue geschworen haben.

Der Überfall ereignete sich am Samstag nahe der Grenze zu Mali in den Dörfern Tchombangou und Zaroumdareye. Der Angriff soll eine Vergeltung für die Ermordung von zwei Kämpfern durch Dorfbewohner gewesen sein, sagte der Innenminister. Junge Leute der beiden Dörfer hatten demnach versucht, in dem umkämpften Gebiet eine Selbstverteidigungsgruppe zu bilden. Es wird angenommen, dass die bewaffneten Männer auf Motorrädern aus dem benachbarten Mali gekommen sind. Die nigrischen Behörden verfolgten sie, sagte der Innenminister.

Der Niger ist eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die über das Mittelmeer die EU erreichen wollen. Zusammen mit Mali, Mauretanien, dem Tschad und Burkina Faso ist das Land Teil der G5-Sahel-Gruppe, die Terrorgruppen bekämpfen will.

Die Regierung hat in den wüstenhaften Weiten außerhalb der Städte wenig Kontrolle, was nicht nur dschihadistische Gruppen, sondern auch kriminelle Netzwerke ausnutzen. In den vergangenen Jahren hatte Europa Druck auf die nigrische Regierung ausgeübt, den Menschenschmuggel einzudämmen. Zudem gilt der Niger als wichtiger Partner der EU im Kampf gegen Terrorismus in der Sahelzone.

Niger ist laut dem UN-Entwicklungsindex derzeit das ärmste Land der in der Statistikgeführten 189 Länder. Niger befindet sich gewissermaßen auf der falschen Seite der Sahara. Seit Jahren passieren Arbeitssuchende das Land, um in Algerien oder Libyen Geld zu verdienen. Weit über 80 Prozent der afrikanischen Migranten bleiben in Afrika. Doch der Sturz von Muammar al-Ghaddafi 2011 hat Libyen ins Chaos gestürzt. In der Folge wurde die nigrische Stadt Agadez zum Drehkreuz für Hunderttausende Afrikaner aus Sub-Saharaafrika. Die einen machen sich auf der Suche nach einem würdigen Leben nach Europa auf, die anderen fliehen vor politischer Verfolgung.

Die Regierungen in Paris, Berlin, Rom und Brüssel haben Niger ins Visier genommen. Agadez, das Tor zur Sahara, soll Europas neue Südgrenze sein. Polizei und Militär gelang es in den vergangenen Jahren, die Hauptroute durch die Sahara von der Wüstenstadt Agadez nach Libyen weitgehend zu kappen. Im Gegenzug erhielt die Regierung in Niamey seither mehr als eine Milliarde Euro an Budget- und Entwicklungshilfe. Die Stichwahl am 22. Februar wird daran nichts ändern, wer immer auch gewinnt.Mit Agenturen

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