Homeschooling ist für manche kaum möglich

Die Diakonie fordert die digitale Beteiligung für alle Menschen in Armut innerhalb der nächsten vier Jahre

Die Situation für in Armut lebende Schülerinnen und Schüler ist dramatisch. Zu diesem Schluss kommt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie am Dienstag auf einer Pressekonferenz des evangelischen Sozialverbandes. Homeschooling, Quarantäne und auch für den Unterricht im Wechselmodell werde entsprechende Ausstattung benötigt.

Im Bildungs- und Teilhabepaket sei dafür jedoch nicht genug vorgesehen. Auch die Hartz-IV-Regelsätze decken das »absolut nicht ab«, so Loheide. Die Diakonie stellte auf der Pressekonferenz ihre Forderungen für eine digitale Mindestausstattung für ärmere Menschen vor. Über ein Bundesprogramm sollten innerhalb von vier Jahren digitale Zugänge für alle Bevölkerungsgruppen geschaffen werden, erklärte der Verband. Dazu gehöre der Ausbau des öffentlichen WLANs ebenso wie eine gezielte Förderung von Onlinezugängen für Menschen in Armut. Denn vor allem diese seien ohne Computer und WLAN während der Coronakrise besonders benachteiligt.

Auf Grund der teils fehlenden Voraussetzungen fürs Homeschooling hatten einige Sozialgerichte - weil in den Hartz-IV-Regelsätzen offenbar viel zu wenig Geld dafür vorgesehen ist - bereits im Sommer 2020 die Jobcenter zur Kostenübernahme technischer Geräte verurteilt. Im Rahmen des »Digitalpaktes Schule« sollten die Schulen bedürftige Kinder mit Leihgeräten ausstatten. »Das reicht aber bei weitem nicht aus. Es ist nicht nur ein Computer oder ein Tablet erforderlich«, so Loheide. In den Familien müsse es außerdem einen WLAN-Zugang sowie einen Drucker geben. Mit manchen günstigen Geräten funktioniert zudem die verwendete Lernsoftware nicht. Auch das im April beschlossene Sofortausstattungsprogramm, das einen Zuschuss von 150 Euro für die technische Ausstattung bedürftiger Schüler beinhaltete, half kaum weiter.

Aber nicht nur arme Schüler sind während der Lockdowns ausgeschlossener als sowieso schon. Generell finden berufliche und auch private Kontakte großteils digital über Computer oder Handy statt. »Was aufgrund der Pandemie medizinisch sinnvoll ist, ist aber für viele Menschen mit Armutserfahrung ein sehr großes Problem«, befand Loheide. »Sie haben oft keinen Zugang zu Behörden, können Sozialleistungen nur unter großen Schwierigkeiten beantragen und haben wenig Möglichkeiten, kulturell oder politisch teilzuhaben.«

Diese Meinung teilt auch Jürgen Schneider: »Die Erfahrungen von Sozialleistungsberechtigten und insbesondere Wohnungslosen in dieser Pandemie sind bedrückend.« Schneider hat selbst Armutserfahrung und engagiert sich im Armutsnetzwerk der Diakonie. Das Geld, das die Menschen in Armut bekommen, bräuchten sie zum Leben, davon könnten sie nicht einfach technische Geräte kaufen, betonte er auf der Pressekonferenz.

»Wir können keinen teuren Highspeed-Internetanschluss finanzieren. Oft wird schon der Abschluss von Mobilfunkverträgen durch die Schufa verhindert«, berichtete Schneider. Dabei könnten etwa in Wohnheimen für wohnungslose Menschen ohne großen Aufwand Internetzugänge geschaffen werden.

Die Diakonie schätzt die Gesamtkosten ihres geforderten Programms für den Bund auf sechs Milliarden Euro. Demnach bräuchten etwa Menschen im Grundsicherungsbezug 400 Euro für die digitale Ausstattung. »Digitale Zugänge sind Teil des sozialen und kulturellen Existenzminimums aller Menschen«, betonte Loheide.

Auch der Paritätische Gesamtverband bekräftigte am Dienstag noch einmal seine Forderungen für ein Sofortprogramm zur Unterstützung von in Armut lebenden Menschen. Dazu gehöre unter anderem die Ausstattung von Kindern aus einkommensarmen Familien mit Notebooks und anderen digitalen Lernmitteln, die immer noch nicht gesichert sei.

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