• Politik
  • Terrorunterstützer-Liste

Kuba erinnert an die Fakten

Havanna weist die Einstufung als »Terrorstaat« durch die US-Regierung entschieden zurück

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

»Der politische Opportunismus dieser Aktion wird von jedem erkannt, der eine ehrliche Sorge um die Geißel des Terrorismus und seine Opfer hat.« Die Worte des kubanischen Außenministers Bruno Rodríguez Parrilla auf dem Kurznachrichtendienst Twitter lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Die Maßnahme der scheidenden Regierung von Donald Trump, Kuba wieder auf die Terrorliste zu setzen, wird als durchsichtiger Schachzug entlarvt. Rodríguez’ Ansicht wird vielfach geteilt: Der Vorstoß des US-Außenministeriums wird weithin als politisches Manöver vor dem Machtwechsel in Washington gesehen. Trump hatte bei der Präsidentenwahl am 3. November gegen seinen demokratischen Herausforderer Biden verloren, der am 20. Januar vereidigt wird.

Rodríguez verurteilte den Schritt am Montag (Ortszeit) auf Twitter als »heuchlerisch und zynisch«. Er dürfte die Bemühungen der künftigen Regierung von Joe Biden erschweren, die von Trumps Vorgänger Barack Obama angestoßene Annäherung der Nachbarstaaten wieder aufzunehmen. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte Kuba 2015 von der Liste gestrichen, auf der sich das Land seit 1982 befunden hatte. Er lockerte zudem die Wirtschaftsblockade gegen Kuba in manchen Bereichen. Diese Maßnahmen wurden als wichtige Schritte der Annäherung zwischen den beiden Ländern betrachtet. Trump beendete jedoch die Entspannungspolitik und verschärfte die Sanktionen wieder. In seiner Amtszeit ab 2017 verschlechterten sich die Beziehungen abrupt. Nach angeblichen Attacken mit Schallwellen zog Washington den Großteil seines diplomatischen Personals aus der Botschaft in Havanna ab. Das Botschaftspersonal wurde so weit reduziert, dass der Konsularservice seit 2017 praktisch ausgesetzt ist.

Trump drehte unentwegt an der Sanktionsschraube: Reisebeschränkungen für US-Amerikaner wurden wieder verschärft, der Kreuzfahrtschifftourismus abgewürgt, Geldüberweisungen eingeschränkt, der Sanktionen verschärfende Titel III des Helms-Burton-Gesetzes aktiviert, Öllieferungen nach Kuba mit Sanktionen belegt und zuletzt Flüge aus den USA in alle kubanischen Städte außer Havanna verboten. Ziel war es, ausländische Investitionen und den Tourismus und damit wichtige Devisenquellen der Insel zu treffen.

Die Trump-Regierung wirft der kubanischen Führung vor, das eigene Volk zu unterdrücken und Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro zu stützen. Als Begründung für das nun abermals verschärfte Vorgehen gegen Kuba führte das Außenministerium an, dass die dortige Führung »bösartiges Verhalten in der Region« an den Tag lege - insbesondere mit Blick auf Venezuela. Die Regierung habe Maduro darin unterstützt, seinen »Würgegriff« über sein Volk aufrechtzuerhalten. Außerdem biete Kuba zahlreichen Flüchtigen aus den USA Unterschlupf und bewahre sie so vor Strafverfolgung. Kuba unterstütze immer wieder internationale terroristische Aktionen, indem es Terroristen einen sicheren Hafen biete, erklärte Außenminister Mike Pompeo. Die USA werfen der sozialistischen Regierung vor, eine Aktivistin der schwarzen Black-Panther-Bewegung aus den 1970er Jahren sowie Mitglieder der kolumbianischen Guerillaorganisation ELN nicht auszuliefern.

Kuba war 1982 auf den Index gekommen, unter anderem, weil es Mitgliedern der baskischen Untergrundorganisation ETA und der kolumbianischen Guerillagruppe FARC Unterschlupf gewährt hatte.

Biden will den Kurs seines demokratischen Vorgängers Obama aufgreifen. Er kann den Karibikstaat zwar wieder von der Liste streichen, das wird aber einige Zeit in Anspruch nehmen. Neben Kuba stehen der Iran, Nordkorea und Syrien auf der Terrorliste. Der Sudan war kürzlich von der Liste gestrichen worden. Dafür musste Khartum die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel zusagen.

Ein Eintrag auf der Liste hat für die jeweiligen Länder zur Folge, dass US-Entwicklungshilfe, Rüstungsexporte und bestimmte finanzielle Transaktionen beschränkt werden. Da Kuba aber ohnehin durch die seit 1961 währende und von Trump mehrfach verschärfte Blockade massiv eingeschränkt ist, bleibt offen, ob sich die Neueinstufung überhaupt in einer faktischen Verschärfung auswirken wird. Für Biden ist die Maßnahme jedoch sicher ein Stolperstein für die geplante Wiederannäherung.

Überrascht war das kubanische Außenministerium nicht: »Seit Monaten wird über die Möglichkeit spekuliert, Kuba in die einseitige Liste des State Departments aufzunehmen, die Länder klassifiziert, ohne Mandat oder Legitimation, ohne echten Bezug auf Terrorismus und seine Folgen«, so Außenminister Rodríguez. Carlos Fernández de Cossío, der für die Beziehungen zu den USA zuständige Mitarbeiter des kubanischen Außenministeriums, twitterte: »Kuba ist ein staatliches Opfer des Terrorismus, der seit Jahren von der US-Regierung oder von Einzelpersonen und Organisationen verübt wird, die von diesem Territorium aus mit Duldung der Behörden operieren. Die Zahl der Todesopfer liegt bei 3478 Kubanern, die der Versehrten bei 2099.« Fernández de Cossío wies darauf hin, dass »das US-Außenministerium das Thema Terrorismus mit grobem politischen Opportunismus manipuliert«.

Die von Trump in den vergangenen Wochen vorgenommenen Weichenstellungen in der Außenpolitik hinterlassen dem künftigen Präsidenten Joe Biden ein außenpolitisches Minenfeld. Überraschen dürfte ihn das freilich so wenig wie Kuba die Einstufung auf der Terrorliste. It’s Trump, stupid!

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal