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Wollen statt Müssen
Meine Sicht: Claudia Krieg über vermeintlichen Fortschritt in Gleichstellungsfragen.
Der Fortschritt bei der Gleichstellung verläuft nicht geradlinig, schreibt Gleichstellungssenatorin Dilek Kalayci (SPD) im Vorwort zum kürzlich erschienenen Gender-Datenreport.
Ja, so ein Fortschritt, der bricht mal aus nach rechts oder links, dreht mal eine kleine Schleife und kann vielleicht sogar - natürlich nur vorübergehend - für eine kleine Weile zum Rückschritt werden. Oder zum Stillstand.
Im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses wurden am Montag Expert*innen zum sogenannten Gender Budgeting befragt: dazu, wie es denn mit der Gleichstellung der Geschlechter eigentlich in der Berliner Verwaltung so laufe. Wer den Anglizismus bis dahin - so wie die Autorin - nicht kannte, dem kann geholfen werden. Gender Budgeting bedeutet: Maßnahmen bei der Aufstellung von öffentlichen Haushalten einzusetzen und durchzuführen, die das Ziel einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter fördern und schließlich erreichen. Das heißt zum Beispiel, beim Angebot von Fortbildungen nicht nur darauf zu achten, dass sie paritätisch wahrgenommen werden, sondern auch darauf, wer welche Fortbildung überhaupt in Anspruch nehmen kann.
Raten Sie mal, wer da eher die teuren, karriereorientierten, mehrtägigen »Retreats« auf dem Land besucht? Richtig, es sind mehrheitlich keine Frauen. Als Verantwortliche*r ist es also nicht damit getan, Fortbildungen zu ermöglichen und sich dann zurückzulehnen. Eine Expertin jedenfalls bescheinigte der an der geschlechtergerechten Haushaltsplanung neben der Gleichstellungsverwaltung beteiligten Finanzverwaltung: »Sie kann Gender.« Gut. Was sie aber nicht kann, ist Tempo. Denn: Gender Budgeting gibt es in Berlin schon seit fast 20 Jahren. Nun lesen Sie im Beitrag zum seit elf Jahren erscheinenden Gender-Datenreport noch einmal nach, was dieser feststellt.
Es ist eben wie mit vielen Zielen: Man muss es schon wollen, nicht nur müssen. Das gilt auch für die Umsetzung von Gleichstellung. Und wenn der antifeministische Backlash vor dem Hintergrund rechter Diskursgewinne anhält, dann wird aus dem scheinbaren Fort- eher ein realer Rückschritt.
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