Oetker kündigt Durstexpress-Beschäftigten

Durch Übernahme von Getränkelieferanten werden Standorte zusammengelegt

  • Jessica Ramczik
  • Lesedauer: 3 Min.

Als im Dezember 2020 die Dr. Oetker GmbH das Start-up Flaschenpost für eine Milliarde Euro kaufte, zeigten sich die Beschäftigten besorgt. Denn mit der Übernahme will der Oetker-Konzern den Zukauf mit seinem eigenen Getränkelieferdienst Durstexpress zusammenlegen. »Aus Durstexpress wird Flaschenpost«, teilten die Unternehmen mit. Durstexpress werde schrittweise an allen Standorten auf Flaschenpost überführt. Den Beschäftigten sollten »nach Möglichkeit Beschäftigungsangebote in einem Nachbarlager unterbreitet werden«. Bisher hat Flaschenpost mehr als 6000 Mitarbeiter*innen an 22 Standorten. Bei Durstexpress sind zum jetzigen Zeitpunkt um die 3500 Mitarbeiter*innen beschäftigt.

In der Corona-Pandemie boomt das Lieferbusiness, Unternehmenskonzepte wie Flaschenpost und Durstexpress gelten als Krisengewinner. Umso unverständlicher scheint das Vorgehen des Konzerns aus Sicht der Mitarbeiter*innen. Die Übernahme ergänze das Angebot von Durstexpress, hieß es anfangs noch beim Oetker-Konzern. Um Kund*innen bundesweit beliefern zu können, werde das Unternehmen künftig in allen Regionen Deutschlands gemeinsam von den Standorten mit der besten Lage agieren. Der Lebensmittelkonzern versicherte den Beschäftigten, der Betrieb werde mit gleichem Personal weiterlaufen. Jetzt folgten jedoch erste Standortschließungen, Hunderten Mitarbeiter*innen soll gekündigt werden.

Besonders hart trifft die Fusion den Standort Leipzig. 500 Mitarbeiter*innen von Durstexpress werden hier zum Monatsende ihren Job verlieren. Einer von ihnen ist Sören Winter*, Sprecher und Mitglied der Gewerkschaft Freie Arbeiter*innen Union Leipzig (FAU). »Viele fürchten auch angesichts der Krise die Arbeitslosigkeit. Die Stimmung schwankt zwischen Wut, Trauer und Verzweiflung«, erzählte Winter dem »nd«. Allerdings zeigten sich viele der Beschäftigten auch euphorisch angesichts des Arbeitskampfes und der Solidarität untereinander.

Ein Teil der Gekündigten kann auf einen neuen Job bei Flaschenpost hoffen - allerdings nur mit Lohneinbußen. Während die Löhne bei Durstexpress zwischen 12,50 und 13,50 Euro lagen, sind es bei der ehemaligen Konkurrenz Flaschenpost zwischen 9,50 und elf Euro pro Stunde. Zudem werden die ehemaligen Mitarbeiter*innen von Durstexpress nicht automatisch übernommen. Sie müssten sich neu bewerben. Auch die Wochenarbeitszeit wird mit dem neuen Arbeitsvertrag niedriger ausfallen. »Die Mitarbeiter sind stinksauer. Der Umgang ist eine Frechheit«, sagte Jörg Most, Geschäftsführer der NGG-Region Leipzig-Halle-Dessau, gegenüber »nd«.

Dabei war das Vertrauen der Beschäftigten von Durstexpress von Anfang an hoch, erzählt Winter. »Die Identifikation mit ihrem Betrieb ist teils enorm.« Auch wenn das Unternehmen immer wieder Mitarbeiter*innen kündigte, die sich offenkundig an einer Betriebsratsgründung beteiligt haben. So wurde laut Winter einem engagierten Teamleiter des Standortes Leipzig von Oekter gekündigt.

Im noch bestehenden Unternehmen Durstexpress geht man jetzt noch einen Schritt weiter. So wurde laut FAU und NGG die Durchführung der Wahl eines Betriebsrats anlässlich der bevorstehenden Kündigungen in einer Lagerhalle verboten. Mit Schreckschusswaffen ausgestattetes Sicherheitspersonal sei eingesetzt worden, um die Wahl in der Lagerhalle zu verhindern. Um einen Wahlvorstand zu wählen, sei letztlich ein Zelt durch die Gewerkschaft NGG aufgestellt worden. 138 Kolleg*innen haben laut Most wählen können.

Die Linksfraktion Sachsen sieht die Causa Durstexpress in einer Reihe mit Fusionen der letzten Jahre. »Wir sehen hier ein unerträgliches Geschäftsmodell ähnlich dem von Flixbus, Lieferando oder Foodora: Konkurrenten aufkaufen, Preise erhöhen und Beschäftigte ausbeuten«, sagte deren stellvertretender Geschäftsführer Marco Böhme. Bei Durstexpress seien die Mitarbeiter*innen gerade dabei gewesen, einen Tarifvertrag zu erstreiten. »Nun werden sie nicht einmal übernommen«, so Böhme.

Leipzig ist nicht der einzige Standort, der die Auswirkungen der Fusion zu spüren bekommt. Auch in Bochum und Berlin verlieren 100 Mitarbeiter*innen ihre Anstellung. Ohnehin nimmt Oetker mit seinem Getränkelieferanten Hoffmann und der Übernahme von Flaschenpost eine Monopolstellung im Getränkesegment ein.

*Name von der Redaktion geändert

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