Viva la Defa (1): »Der Rat der Götter«

  • jha
  • Lesedauer: 3 Min.

Der 75. Jahrestag der Gründung der Defa bietet Gelegenheit, auf außerordentliche DDR-Filmkunst zurückzublicken. Deswegen werden im Jahr 2021 auf diesen Seiten nicht nur ausführlich Hintergründe beleuchtet, sondern auch exemplarische Filme vorgestellt. Mal mehr, mal weniger kanonisch geht es vor allem darum, auf Besonderheiten aufmerksam zu machen, das eigene Interesse oder den eigenen Blick zu beschreiben. So erzählen wir die Geschichte der Defa in selbst gewählten Ausschnitten.

Die Deutsche Film AG, kurz Defa, wurde am 17. Mai 1946 in Potsdam-Babelsberg gegründet. Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Defa war Kurt Maetzig. Er war auch einer ihrer prägenden Regisseure, von »Ehe im Schatten« (1947) über den Ernst-Thälmann-Zweiteiler und »Schlösser und Katen« (1956) bis »Der schweigende Stern« (1959) und »Das Kaninchen bin ich« (1965). Und dann gibt es noch »Der Rat der Götter« (1950). Ein Film, der wie kein anderer dafür steht, die Unterstützung des deutschen Kapitals für Hitlers Kriegs- und Vernichtungspolitik aufzuklären - erzählt anhand der Geschichte des IG-Farben-Konzerns. Das Drehbuch schrieb Friedrich Wolf nach einem Buch des amerikanischen Kontrolloffiziers Richard Sasuly und Akten der Nürnberger Prozesse. Vor Gericht standen auch leitende Angestellte der IG Farben (von denen, kaum überraschend, nur wenige dann zudem milde Haftstrafen erhielten). Die Filmmusik stammte von niemand Geringerem als Hanns Eisler, der im Exil in Hollywood für Charlie Chaplin Filmmusik geschrieben und zusammen mit Theodor W. Adorno den Ratgeber »Komposition für den Film« verfasst hatte. Es war also eine Groß- und Vorzeigeproduktion.

»Der Rat der Götter«, so nannte sich der IG-Farben-Vorstand in seiner Hybris selbst, ist ein spannender Politthriller in Schwarz-Weiß, der auch dokumentarisches Material einbezieht und in einer Massenszene Eisenstein’schen Ausmaßes endet. Entscheidend ist, dass gezeigt wurde, worüber vor allem im Westen geschwiegen wurde: dass es weder Krieg noch Massenmord ohne die tatkräftige Unterstützung der deutschen Kapitalistenklasse hätte geben können. Wie kein anderer Konzern war der Trust IG Farben mit dem Vorstandvorsitzenden Carl Krauch Teil der Industriepolitik der Nazis. In Auschwitz betrieb der Konzern ein eigenes Lager, man lieferte auch das Zyklon B. Nach 1945 folgte die Entflechtung der der 1925 gegründeten IG Farben, dem zu seiner Zeit größten petrochemischen und pharmazeutischen Konzern der Welt. Die Firmen - wie Bayer, Hoechst und BASF - gehören noch immer zu den mächtigsten Deutschlands, die offizielle Auflösung IG Farben kam erst 2012. Eine Ausnahme unter den angeblich so ehrbaren deutschen Unternehmern mit ihrem ach so sozialen Gewissen war das nicht: Quandt, Klatten, Schaeffer, Brose, Reimanns und wie sie alle heißen hatten gegen Zwangsarbeit und Mord nichts einzuwenden, solange der Profit stimmte. Und ob sie es wohl heute hätten?

In der BRD wurde die Aufführung von »Der Rat der Götter« verboten. Der Film sei ideologisch, hieß es in dem Staat, in dem zu diesem Zeitpunkt - wenige Jahre nach Völkermord und Vernichtungskrieg - im Kino nichts außer harmlos-kitschigen Heimatfilmen lief. Bis sich ein bundesdeutscher Film mit dem Verhältnis von Kapital, Industrie und Vernichtung, also von Produktionsweise, Gesellschaftsform und Faschismus ernsthaft auseinandersetzte, sollte es dauern. Harun Farockis »Zwischen zwei Kriegen« (1978) wäre da zu nennen - fast 30 Jahre nach »Der Rat der Götter«. jha

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal