Kein Grabschmuck für Arme

Viele mittellose und vereinsamte Menschen werden ohne Zeremonie bestattet. Die Linke will das ändern

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer arm ist oder keine Angehörigen hat, die die Kosten für die Beerdigung übernehmen können, wird in Berlin durch das Ordnungs- oder das Sozialamt bestattet. 4111 Menschen wurden im vergangenen Jahr in der Hauptstadt auf diese Weise nur mit dem Allernötigsten beigesetzt. Das geht aus einer Schriftlichen Anfrage des Linken-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg hervor. Diese Zahlen steigen kontinuierlich, im Jahr 2019 waren es 145 weniger.

Bestattungen von Mittellosen nehmen zu

Schlüsselburg zeigt sich über diesen Anstieg bestürzt: »Dass immer mehr Menschen verarmt und vereinsamt sterben, sollte uns alle beschämen und alarmieren. Wir wollen, dass Menschen würdevoll bestattet werden und zwar in allen Bezirken.« Im Zweifel solle das durch das Land finanziert werden. »Es kann nicht sein, dass eine würdevolle Bestattung davon abhängt, ob ich in Pankow oder Mitte gewohnt habe«, sagt Schlüsselburg zu »nd«.

Derzeit umfassen Sozialbestattungen beziehungsweise ordnungsbehördliche Bestattungen die materiellen Notwendigkeiten einer Beerdigung wie die Untersuchung des Körpers, eine einfache Erd- oder Feuerbestattung, Friedhofskosten und die Leichenschau. Die Kosten einer solchen behördlichen Bestattung sind niedrig gehalten und belaufen sich auf durchschnittlich rund 800 Euro. Privat bezahlte Bestattungen kosten meist mehrere Tausend Euro. Eine Trauerfeier ist nicht vorgesehen, lediglich in einzelnen Bezirken gibt es als »Zusatzleistung Blumenschmuck«.

Linke will Sterbegeld wieder einführen

Ein Antrag der Linken vom 5. Februar, der »nd« vorliegt und nun innerhalb der rot-rot-grünen Koalition abgestimmt werden soll, will das nun ändern. Er sieht vor, dass staatliche Bestattungen in allen Bezirken Blumenschmuck, Musik sowie eine säkulare Grabrede beinhalten sollen. Außerdem will die Linke eine Gesetzesinitiative des Senats in den Bundesrat einbringen, um das 2003 abgeschaffte Sterbegeld wieder zu einer Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu machen. Damals umfasste das einen Zuschuss von 1050 Euro je Krankenkassenmitglied und 525 Euro je Familienversicherten. Damit sollen die Hinterbliebenen beziehungsweise die rechtlich Verpflichteten finanziell bei den im Todesfall erforderlichen Ausgaben unterstützt werden, wie es im Entwurf heißt. Und weiter: »Das Sterbegeld ist zwar keine Gesundheitsleistung, doch ist das Sterben ebenso wie die Geburt trotzdem nicht als reine Privatangelegenheit zu betrachten.«

Staatliche Trauerfeiern?

Bertold Höcker ist Pfarrer und Superintendent im Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte. Auch er beobachtet, dass immer mehr Menschen einsam sterben. Seit 2019 organisiert er in der St. Marienkirche zentrale Trauerfeiern für einsam Verstorbene, an denen auch Vertreter des Bezirksamts Mitte teilnehmen. Gefragt nach seiner Meinung zu Trauerfeiern für behördliche Bestattungen sagt er sofort: »Das wäre so schön!« Man hört, dass ihm dieses Thema am Herzen liegt.

»Selbst wenn ich keine Angehörigen mehr habe, ist es gesellschaftliche Pflicht, dass niemand würdelos unter die Erde kommt,« sagt der Theologe zu »nd«. Würdevoll wäre aus seiner Sicht eine Bestattung, bei der ein Pfarrer oder ein Vertreter der Gesellschaft am Grab spricht. Höcker schätzt, dass eine behördliche Bestattung mit Trauerfeier 500 bis 800 Euro mehr kosten würde bisher, also fast doppelt so viel. »Das ist die Gesellschaft sich selber schuldig«, findet der Theologe.

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