Ach, wie kulturlos sind diese Zeiten

Das Feuilleton ist Herz und Seele jeder Zeitung, meint Karlen Vesper

Die Prototypen der Zeitung Ende des 16. Jahrhundert waren im deutschsprachigen Raum, wen wundert’s, Nachrichtenblätter aus der Welt des Geschäfts, herausgegeben von den Fuggern. Die weltweit erste Zeitung erschien 1605 in Straßburg; deren Editor Johann Carolus reflektierte nunmehr auch politisches Geschehen. Mit der Aufklärung wurde das Feuilleton geboren. Es gab Bedarf an Rede und Gegenrede, Neugier auf die Welt des Geistes war geweckt. Theater und Konzerte waren nicht mehr exklusiv Königs- und Fürstenhöfen vorbehalten, rasant ansteigender Buchdruck und Lesefähigkeit des Volkes steigerten Lust und Nutz an Reflexionen und Rezensionen, nicht nur der Schönen Literatur, auch der Klassischen Philosophie. Klatsch und Tratsch inklusive. Welch holdem Weib hat Geheimrat Goethe seine »Iphigenie« gewidmet, warum giftet Schopenhauer gegen Hegel? Das Feuilleton wurde Herz und Seele jeder Zeitung/Zeitschrift.

Und eben diese entreißt nun Medienmogul Hubert Burda seinem »Focus«, indem er die Kulturabteilung abschafft. Gewiss, das Magazin ist sukzessive in des Lesers Gunst gesunken. Aber nicht wegen Überangebots an Kultur. Kultur abschaffen, heißt: kulturlos werden. Mensch dessen zu berauben, was Mensch auszeichnet. Ach, wie kulturlos sind diese Zeiten!

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