Zur Perfektion getragen

Die tschechische Biathletin Marketa Davidova gewinnt überraschend WM-Gold

Der Glaube ans Übersinnliche wird ja oft belächelt. Die tschechische Biathletin Marketa Davidova scheint ihm dennoch nicht ganz abgeneigt zu sein, denn den Grund für ihren ersten Weltmeistertitel fand sie nicht etwa in gutem Training, bei schnellen Ski oder einer besonders ausgefeilten Schießtechnik. Nein, die Kraft ihres Geistes sei verantwortlich gewesen für ihren Sieg im Einzel über 15 Kilometer bei den Welttitelkämpfen in Pokljuka. »Ich war heute die Glücklichste, denn ein paar meiner Schüsse trafen das Ziel sicher nicht im Zentrum. Als ich den vorletzten Treffer gesetzt hatte, wurde ich auf einmal nervös: Oh, mein Gott, den letzten Schuss muss ich auch noch treffen! Ich denke, die Patrone hab ich dann allein mit meinen Gedanken zur Scheibe getragen«, freute sich die Tschechin über ihren Überraschungssieg.

Fürs deutsche Team blieb erneut nur die Erkenntnis, dass mehr möglich war - bei einem perfekten Schießergebnis sogar eine Medaille, doch diese Perfektion fehlt in diesen Tagen. Hinter Davidova sowie den anderen Medaillengewinnerinnen Hanna Öberg aus Schweden und der Norwegerin Ingrid Landmark Tandrevold wurde Franziska Preuß als Siebente beste Deutsche. Denise Herrmann folgte auf Rang 15. Beide hätten auch ohne Schießfehler Davidova nicht bezwingen können, jeweils zwei Fehler aber bedeuteten auch das Aus im Kampf um Silber und Bronze. Somit wartet der Deutsche Skiverband weiter auf Edelmetall in Slowenien.

Dabei hatte der Einzelwettkampf, in dem Fehler mit Strafminuten belegt werden, wie so oft die Chance zur Wiederauferstehung geboten. Das zeigte Davidova, die vor zwei Jahren mal einen Sieg im Weltcup gefeiert hatte, in diesem Winter und auch in den bisherigen WM-Tagen aber nie in Schwung kam. Ein wenig ähnelte sie dabei Denise Herrmann, doch nur der Tschechin gelang nun das perfekte Rennen, während Herrmann zudem mit ihrer Laufform hadert. »Ich bin muskulär etwas angeknockt. Es flutscht einfach nicht. Ich hoffe die paar Tage Pause jetzt kann ich nutzen, um am Wochenende wieder frische Beine zu haben«, sagte die 32-Jährige in der ARD - und nahm damit schon vorweg, dass sie am Donnerstag wohl nicht in der Single-Mixed-Staffel laufen wird.

Immerhin scheint sie eine Erklärung zu haben, warum der Formaufbau hin zum Großereignis dieses Mal nicht so gut klappte wie sonst. »Wir haben im Hinblick auf Olympia etwas offensiver trainiert. Das zahlt sich jetzt aber noch nicht aus«, so die Oberwiesenthalerin. In der Frauenstaffel am Sonnabend hält sie eine Medaille dennoch für möglich, denn die Teamleistung stimme bislang. Tatsächlich zeigten zumindest Herrmann, Preuß und Vanessa Hinz in Pokljuka schon starke, wenn auch nicht herausragende Leistungen. Preuß kam am Dienstag schon zum dritten Mal unter die besten Acht, Herrmann hatte im Sprint Bronze um nur acht Sekunden verpasst. Und Hinz traf in der Verfolgung alle 20 Schüsse. Nur war ihr Rückstand am Start zu groß, um noch aufs Podest zu laufen. Im Einzel traf sie diesmal nur 17 Schüsse und wurde 33. Vor einem Jahr hatte sie in genau diesem Wettbewerb noch Silber gewonnen. »Mehr als einen Fehler darf man sich einfach nicht erlauben, um vorn zu landen. Das war heute nicht gut, aber auch nicht schlecht - einfach Mittelmaß. Man kann nicht jeden Tag viermal null Fehler schießen«, sagte Hinz.

So hatten auch alle Medaillengewinnerinnen maximal einmal daneben gezielt. Das war den deutschen Biathletinnen erneut nicht gelungen. »Natürlich will man bei einer WM um Medaillen kämpfen. Aber es ist nun mal sehr eng beim Biathlon. Man denkt danach: Wenn ich den Fehler nicht mache oder den nicht, aber so denken viele beim Biathlon«, sagte Preuß nach ihrem Rennen - ganz ohne Groll über eine verpasste Chance. Stattdessen freute sie sich für die Siegerin Marketa Davidova: »Sie hat schon oft gezeigt, was sie drauf hat, aber in letzter Zeit viel mit sich gehadert. Den Sieg hat sie absolut verdient.« Vielleicht versucht es Preuß ja im nächsten Rennen auch mal mit Telekinese.

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