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Konzernen auf die Finger schauen

Multis sollen in der EU künftig nach Ländern aufschlüsseln, wo sie Steuern zahlen. Auch die G20 wird aktiv

Die nationalen Steuersysteme und der Wettbewerb zwischen Staaten haben Konzernen zahllose Schlupflöcher eröffnet. Manche Unternehmen haben das Hin- und Herschieben von Gewinnen und Lizenzen so perfektioniert, dass sie fast nur in Niedrigsteuerländern an den Fiskus zahlen. Weltweit gibt es seit Jahren Bestrebungen, die Möglichkeiten zur Steuervermeidung zu reduzieren, doch es geht nur im Schneckentempo voran.

Da soll sich jetzt ändern: Die Finanzminister der Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer haben bei ihrem Treffen am Wochenende vereinbart, bis Mitte des Jahres einen Konsens in der Frage der Besteuerung weltweit operierender Unternehmen zu finden. Dies erklärte der italienische Finanzminister Daniele Franco am Freitag nach dem Treffen. Die Reform, die insbesondere Großunternehmen im digitalen Bereich treffen soll, war bisher von der US-Regierung unter Donald Trump blockiert worden. Diese pochte auf die Safe-Harbor-Klausel, die den US-Konzernen letztlich Freiwilligkeit bei der Wahl des Besteuerungssystems zugestanden hätte. Die neue Finanzministerin Janet Yellen setzt hingegen auf Multilateralismus und verbindliche Regeln für alle. Die Details sollen nun vom Industrieländerclub OECD ausgehandelt werden.

Etwas weiter ist derweil die EU in einer anderen Frage: der Steuertransparenz. Nachdem Portugal im Januar den Ratsvorsitz von Deutschland übernommen hatte, konnte die fünfjährige Blockade eines der heikelsten Vorhaben gelockert werden. Ende vergangener Woche einigten sich die Wirtschaftsminister der Mitgliedstaaten auf einen Vorschlag, der von multinationalen Unternehmen verlangt, öffentlich darüber zu berichten, welche Gewinne sie in welchem EU-Land machen, wie viel Steuern sie zahlen und wo sie dies tun. Dies soll besonders dreiste Tricksereien unmöglich machen.

Das sogenannte Country-by-Country-Reporting gibt es zwar schon, aber wegen der unterschiedlichen Praxis der EU-Mitgliedstaaten und der Unternehmen sorgen die Zahlen bisher eher für Intransparenz. Zu diesem Ergebnis kam erst kürzlich eine Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und der Universität Mannheim über die Bilanzen von Finanzdienstleistern. Letztlich bleibe bislang offen, wie hoch die Steuerzahlungen in den einzelnen Ländern tatsächlich sind.

Das soll sich nun ändern. Grundlage ist ein Vorschlag der Kommission bereits aus dem Jahr 2016, laut dem in der EU operierende Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz offenlegen müssen, wie viel Gewinn sie in den einzelnen Mitgliedsländern erwirtschaften und wie viele Steuern sie dort jeweils abführen. Zudem sollen sie angeben müssen, wie viele Steuern sie außerhalb der EU insgesamt bezahlen. Zahlreiche Staaten wie Luxemburg, Malta, Zypern, Irland, aber auch Deutschland blockierten den Vorstoß Brüssels bisher. Nun aber gab es im Ministerrat eine Mehrheit dafür - Deutschland enthielt sich dabei, wofür Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) die Union verantwortlich machte.

Gerade das Thema Steuern zeigt die Schwächen des wirtschaftsliberal geprägten Maastrichter Vertrages und des gesamten Regelwerks der EU. Steuerthemen müssen danach die Finanzminister einstimmig absegnen, was wegen des Widerstands von Finanzoasen nicht gelingt. Entscheidend war jetzt ein Schachzug der EU-Kommission, die Frage nicht mehr als Steuerthema einzuordnen. Damit reicht für die Country-by-Country-Berichterstattung eine qualifizierte Mehrheit der Wirtschaftsminister. Dies gelang durch einen Schwenk Österreichs. Nun muss noch das Europaparlament zustimmen. Während Wirtschaftsverbände die Pläne kritisieren, sind Kritiker von Steuerungerechtigkeit voll des Lobes: Von einem »wichtigen ersten Schritt zu mehr Transparenz bei der Unternehmensbesteuerung« spricht Tobias Hauschild von Oxfam Deutschland. »Multinationale Unternehmen müssen endlich ihren fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten.« Der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, sieht in der länderbezogenen Transparenz »eine minimale Anforderung an Unternehmen mit maximaler Wirkung für das Gemeinwohl«. Durch die Offenlegung seien Steuertricks kaum noch möglich.

Giegold spielt unter anderem auf die »Luxleaks«-Affäre an. 2014 hatten zwei Ex-Mitarbeiter einer Wirtschaftsberatung ans Licht gebracht, wie Luxemburg mit steuerlichen Sonderdeals viele Unternehmen anlockte, dort eine Niederlassung zu eröffnen, um dann extrem wenig Steuern zu zahlen. Aber auch zahlreiche andere Niedrigsteuerländer in der EU ziehen aus bislang intransparenten Bilanzgestaltungen Nutzen.

Den politischen Druck hatte zuletzt der Fall Apple erhöht. Die EU-Kommission hatte den US-Multi zu einer Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro an Irland zwingen wollen, das ihm Sonderkonditionen gewährt hatte. Das EU-Gericht in Luxemburg annullierte die Nachforderung. Das Urteil machte deutlich, dass mit den derzeit gültigen Regelungen den Steuertricksereien nicht beizukommen ist.

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