Die Mischung macht’s

Bei der Schaffung von neuem Wohnraum wird nicht immer auf Nachhaltigkeit und Vielfalt geachtet

  • Yannic Walter
  • Lesedauer: 3 Min.

Insgesamt 16 neue Quartiere sind für Berlin geplant. Wie solche Neubauprojekte auch sozial und ökologisch gelingen können, war am Wochenende Thema einer Online-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung. Bettina Jarasch, Grünen-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl, warb dafür, beide Anliegen zusammenzudenken. »Wenn wir das Problem mit dem bezahlbaren Wohnen nicht in den Griff bekommen, wird es auch mit dem ökologischem nichts«, so Jarasch.

Bei der Konferenz wurden mit dem Schuhmacher Quartier am stillgelegten Flughafen Tegel, der neuen Siemensstadt in Spandau und dem Blankenburger Süden in Pankow drei ganz unterschiedliche Berliner Vorhaben vorgestellt. »Das Schuhmacher Quartier ist bisher das Einzige, wo ernsthaft versucht wird, sowohl sozial als auch ökologisch zu bauen«, gab Jarasch zu bedenken. In den nächsten 15 Jahren sollen dort über 5000 neue Wohnungen entstehen, ungefähr 40 Prozent davon mietpreisgebunden. Um klimaneutral zu werden, setzt man überwiegend auf Holz als Baustoff. »Ein alleiniges Vorzeigequartier reicht aber nicht aus, wenn wir klimaneutral werden wollen«, bemängelt Jarasch. Immerhin geht bisher fast die Hälfte der Berliner CO2-Emissionen auf das Konto von Gebäuden.

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Wenn die Stadt wie beschlossen bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden will, muss sich etwas bewegen. Zumindest an den Mitgliedsunternehmen des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), die über 40 Prozent der Mietwohnungen bewirtschaften, würde es nach eigenen Angaben nicht scheitern. »Wir sind da Vorreiter«, erklärte BBU-Vorständin Maren Kern.

Im BBU sind hauptsächlich kommunale und genossenschaftliche Vermieter vertreten, allerdings auch renditeorientierte Konzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia. Manche Mitgliedsunternehmen hätten zur Klimaneutralität mehr als andere beigetragen, kommentierte Grünen-Politikerin Jarasch. »Die großen börsennotierten Unternehmen haben in den letzten Jahren zwar viel gekauft, aber wenig in Neubau und Klimaneutralität investiert«, sagte sie mit Blick auf Deutsche Wohnen und Vonovia. Auch den vom Verband kritisierten Mietendeckel verteidigte Jarasch. Dieser sei nötig gewesen, weil der Berliner Wohnungsmarkt sich nicht allein durch Angebot und Nachfrage regele. »Neubau senkt keine Mieten«, so Jarasch.

Das sei nicht ganz falsch, stimmte Unternehmer Thomas Bestgen zu. Dennoch reiche Mieterschutz angesichts des anhaltenden Zuzugs und der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen nicht aus. Bestgen ist unter anderem Bauherr des »WoHo«, eines 98 Meter hohen Holz-Hochhauses, das in Kreuzberg entstehen soll und eine soziale Durchmischung bei Wohn- und Gewerberaum vorsieht. Die aktuell niedrigen Zinsen sieht er als Chance für den Neubau in Berlin. Hochhäuser seien ein Teil davon, auch wenn Bestgen es gut findet, dass es keinen Hochhausentwicklungsplan gibt, da dieser in den betreffenden Gebieten zu einer Steigerung bei den Bodenpreisen führen würde. »Je höher die Bodenpreise umso schlechter lassen sich neue Quartiere mischen oder ökologisch bauen.«

Zumindest bei den verbliebenen Grundstücken in Landeshand kann Berlin durch die Vergabe in Erbbaupacht bestimmen, was und für wen gebaut wird. Bei dem neu entstehenden Quartier in der Siemensstadt sieht das etwas anders aus. Der Großteil des Bodens ist hier in Besitz des namensgebenden Unternehmens. Siemens will den alten Produktionsstandort mit einer Mischung aus Wohnen, Gewerbe und Forschung beleben. Wohnraum wird nach dem Berliner Modell entstehen, das 30 Prozent mietpreisgebundene Wohnfläche vorsieht. Diese Wohnungen könnten nach 30 Jahren Bindung jedoch auch wieder »flöten gehen«, gab Daniela Brahm von der Initiative Stadt Neudenken zu bedenken. »Dann hätten wir die gleichen Probleme in den neuen Quartieren wie auch jetzt schon.«

Eine Herausforderung für alle neuen Quartiere, aber vor allem für das Vorhaben im Blankenburger Süden, ist der Verkehr. In dem Teil Pankows sollen 5000 Wohnungen entstehen. Angestrebt wird, dass die Bewohner 80 Prozent ihrer Wege mit dem Umweltverbund zurücklegen - also zu Fuß, mit dem Rad oder im öffentlichen Nahverkehr. Eine Anbindung an letzteren fehlt aber. Die Verlängerung der Tramlinie M2 befindet sich noch in der Planung. Ihre Streckenführung ist umstritten. Doch ohne verkehrliche Erschließung wird es auch keinen Spatenstich für die Wohnungen geben.

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