Geflüchtete weiter oft Ziel von Angriffen

Laut Regierung mehr als 1600 rassistische Straftaten gegenüber Zuwanderern im Jahr 2020

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Nach vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums gab es im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik trotz der Corona-Beschränkungen mindestens 1606 gegen Geflüchtete gerichtete Straftaten. Das waren ungefähr genauso viele wie 2019 (1620). Damit waren Geflüchtete und Asylbewerber im Schnitt jeden Tag viermal Opfer von Übergriffen, Beleidigungen und anderen Delikten.

Das teilte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag mit, die »nd« vorliegt. Bei den Übergriffen wurden der Auswertung der Zahlen durch das Büro der Linke-Abgeordneten Ulla Jelpke 201 Menschen verletzt. 84 Angriffe hätten sich gegen Flüchtlingsunterkünfte gerichtet, davon seien 79 nachweislich auf das Konto von Neonazis gegangen. 2019 waren noch 128 Angriffe auf Sammelunterkünfte gemeldet worden. Auch die Zahl der Übergriffe auf Organisationen und Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe ging von 124 auf 67 zurück. Die Statistik erfasst unter anderem Beleidigungen, Volksverhetzung, Sachbeschädigungen und Gewalttaten.

Die Linke erklärte, tatsächlich sei wegen der zu erwartenden Nachmeldungen ein Anstieg der Zahl der Angriffe gegenüber 2019 zu erwarten. Erfahrungsgemäß sei noch mit »deutlich über 100 Nachmeldungen zu rechnen«, teilte Jelpke am Dienstag mit.

Insgesamt zeigt der Trend laut dem 56-seitigen Bericht des Innenministeriums seit Jahren nach unten: Nach dem Höchststand im Jahr 2016 mit 2545 Straftaten gegen Geflüchtete seien die Zahlen von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Hauptgrund dafür ist allerdings, dass inzwischen sehr weniger Menschen nach Deutschland kommen und weniger in Sammelunterkünften wohnen.

Jelpke, auf deren Initiative die jährlichen Anfragen zu Straftaten gegen Geflüchtete zurückgeht, sieht denn auch keinen Grund zur Entwarnung. »Der Rassismus im Land kennt keinen Lockdown«, erklärte sie. Die Zahlen zeigten, wie verfestigt rechtsradikale Gewalt in Deutschland sei. »Dass sie ein tödliches Potenzial hat, daran hat uns eben erst die Erinnerung an die rassistischen Morde in Hanau vor einem Jahr gemahnt«, erklärte innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Tatsächlich gab es trotz der Corona-Beschränkungen und des zeitweisen Lockdowns 2020 bundesweit sogar mehr Aufmärsche Rechtsradikaler. Laut Innenministerium stieg deren Zahl im Vergleich zum Vorjahr von 124 auf 133. Die Zahl der Teilnehmer sank jedoch von 19 840 auf 14 000. Die Zahl der Rechtsrock-Konzerte sank pandemiebedingt gegenüber 2019 stark. Die Anmelder konnten 2020 nur 133 dieser Events veranstalten, im Vorjahr waren es mit 374 fast dreimal so viele gewesen. Keine der Veranstaltung habe sich aber direkt oder indirekt gegen eine Flüchtlingsunterkunft gerichtet, antwortete das Ministerium auf eine entsprechende Frage der Linken. nd/Agenturen

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