Über 1000 Bäume weniger pro Jahr

Umweltschützer fordern mehr Maßnahmen zum Erhalt des Berliner Baumbestands

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die letzten Jahre waren verheerend für den Berliner Bestand an Straßenbäumen. So lautet das Fazit des Berliner Baumreports des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) 2012-2019, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach hat sich der Bestand in diesem Zeitraum von rund 440 000 auf rund 431 100 Bäume verringert. Das sei ein Verlust von durchschnittlich 1108 Bäumen pro Jahr. »Eigentlich wären mindestens 500 000 Bäume nötig«, sagt Christian Hönig, der Baumreferent des BUND. Er befragt jedes Jahr die Bezirksämter nach der Entwicklung des Baumbestandes und erstellt daraus eine Statistik, in der er Baumfällungen und Neupflanzungen gegenüber stellt.

Die Ursachen für den Baumverlust sind vielfältig, erläutert Hönig. Zum einen sorgen Stürme in unregelmäßigen Abständen für einen großen Schwund an Bäumen. So habe der verheerende Sturm Xavier im Jahr 2017 exakt 7883 Straßenbäume in Berlin zerstört. Ein kontinuierliches Problem hingegen sei die Veränderung des Klimas in den letzten Jahren, welche 2018 und 2019 für wochenlange Trockenheit gesorgt habe. Beide Jahre gingen mit jeweils über 6000 gefällten Bäumen in die Statistik ein. Zudem habe es in den letzten Jahren eine »verheerende Zunahme« von geschädigten Bäumen gegeben, erklärt der Baumexperte. Die jeweilige Hauptursache lasse sich nur schwer ermitteln. »Die meisten Bäume haben Komplexschäden«, so Hönig.

Die Bezirke bemühen sich zwar, für Ersatz zu sorgen und Bäume nachzupflanzen, doch nach Auffassung des BUND geschehe dies nicht in ausreichendem Maße. Laut Christian Hönig werde in der Regel nur ein Drittel bis die Hälfte der gefällten Bäume nachgepflanzt. Allerdings sei die Gegenüberstellung gefällter und neu gepflanzter Bäume fehleranfällig, oft veröffentlichten die Bezirke unvollständige Zahlen. So habe der Bezirk Marzahn-Hellersdorf zwischen 2012 und 2019 nach eigenen Angaben nur 168 Bäume gepflanzt. Eine Zahl, die selbst der Baumexperte, der in dieser Hinsicht Kummer gewohnt ist, unrealistisch niedrig findet. »Teilweise melden Bezirke im Jahr nur zwei Baumpflanzungen, das kann ich mir nicht vorstellen«, erläutert Hönig.

Immerhin sind die Mittel für Baumpflege im aktuellen Doppelhaushalt deutlich aufgestockt worden: So stehen laut Verwaltung jedem Baum statt bisher rund 50 Euro jährlich aktuell etwa 82 Euro für Pflege zur Verfügung. Doch Hönig ist sich sicher: »Die Stellung des Baumes muss sich weiter verbessern.« Damit meint er vor allem die Pflege bestehender alter Bäume, da diese in Zeiten des Klimawandels auch eine temperaturregulierende Funktion für die Stadt ausüben und in der Lage sind, Hitzespitzen abzufedern. Ein Effekt, den jeder kennt, der einen Wald betritt: Es wird schlagartig einige Grad kühler. Diesbezüglich ist Hönig wichtig, mit einem oft verbreiteten Argument aufzuräumen: »Viele sagen: ›kein Problem, wenn wir gesunde Bäume fällen, wir pflanzen ja neue‹. Aber wir haben keine Zeit mehr, 30 oder 40 Jahre zu warten, bis die Bäume groß sind. Darum ist mir der Erhalt des Bestands so wichtig.«

Eine wichtige Maßnahme zum Erhalt der Bäume sieht er darin, dass Anwohner*innen die Stadtbäume in trockenen Monaten regelmäßig gießen und bepflanzen. Diesbezüglich müssten in manchen Bezirksämtern die bürokratischen Hürden abgebaut werden, damit sich mehr Berliner*innen für die Bäume vor ihrer Haustür engagieren. Außerdem müsse die Baumschutzsatzung auf weitere Bäume ausgeweitet werden, um so das Fällen alter Bäume zu erschweren.

Die vorherrschenden Baumarten an Berliner Straßen bleiben relativ konstant: Linde, Ahorn und Eiche. Prozentual am meisten abgenommen hat der Bestand an Mehlbeere und Robinie. Stark angestiegen sei indes der Bestand an Ulmen und Hainbuchen.

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