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Partisanen am Ball

ZIRKUS EUROPA schaut auf FC Chelsea gegen Atlético Madrid

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn es denn zutrifft, was das Lexikon der abgedroschenen Phrasen unter dem Stichwort »Generalprobe« notiert, dann könnte am Mittwoch ein höchst anregendes Stück im europäischen Fußballzirkus zur Vorführung kommen. Die Bühne steht an der Stamford Bridge zu London, es treten auf: die Lokalmatadoren des FC Chelsea und Atlético Madrid. Beide haben in der Vorbereitung dieses Rückspiels im Achtelfinale der Champions League kein einziges Tor geschossen und sich von der Laufkundschaft aus Leeds und Getafe am Wochenende jeweils ein 0:0 abtrotzen lassen. Aber verpatzte Generalproben sind bekanntlich ... genau!

Es kann also nur besser und unterhaltsamer werden, vor allem für die kickenden Partisanen des argentinischen Comandante Diego Simeone. Zwar thront Atlético auch nach dem 27. Spieltag noch auf Platz eins der spanischen Liga, aber es läuft schon seit Wochen nicht mehr so recht. Von zuletzt 24 möglichen Punkten haben die Madrider elf liegen lassen, und das gegen weniger ambitionierte Mannschaften wie Vigo, Levante und eben Getafe. Auch das Hinspiel vor drei Wochen daheim gegen Chelsea ging 0:1 verloren.

Die Zeit ist mal wieder reif für ein richtig großes Spiel. Und warum nicht an der Stamford Bridge? So wie vor fast sieben Jahren, als Atlético im Halbfinale bei Chelsea gastierte. Schon damals hieß der Trainer Diego Simeone, sein Gegenspieler auf Londoner Seite aber war nicht der deutsche Nerd Thomas Tuchel, sondern der portugiesische Pfau José Mourinho.

Was der perfektionistisch veranlagte Tuchel wohl über den Fußball geurteilt hätte, den Chelsea damals spielte? Unter Mourinho war nicht das Wie wichtig, sondern immer nur das Was. Chelsea wollte nicht schön spielen, immer nur erfolgreich. Eine Spielgestaltung im eigentlichen Sinne gab es nicht, sie wurde gern dem Gegner überlassen. Diese Mannschaft war das Gegenteil derjenigen, die in den Swinging Sixties mit Trainer Tommy Docherty und Torjäger Peter Osgood so etwas wie der kickende »Rock ’n’ Roll«-Klub der Fußballgeschichte war.

Unter Mourinho und mit dem Geld des russischen Investors Roman Abramowitsch schafften es die Londoner in Rekordzeit vom Liebling des Revoluzzertums zum Feindbild der Traditionalisten. Sinnbildlich dafür stand 2014 das Halbfinalhinspiel im Estadio Vicente Calderón. Chelsea spielte, wie Mannschaften von José Mourinho eigentlich immer spielen: Ultradefensiv, auf dass der Gegner bloß nicht etwas vorlegen könne vor dem finalen Rückspiel. Es ging nicht um den ursprünglichen Sinn des Spiels, ein Tor mehr zu schießen als der Gegner. Sondern ausschließlich darum, eins weniger zu kassieren, im Optimalfall gar keins. Diese Denkweise erhebt das 0:0 in den Stand eines paradiesischen Ergebnisses, und so war es auch in Madrid.

Wer daheim kein Tor schießt, ist auf diesem Niveau eigentlich so gut wie draußen. Im Falle Atléticos addierte sich als zweite Hypothek noch Chelseas Führungstor im Rückspiel - ausgerechnet durch Fernando Torres, groß geworden und ausgebildet im Estadio Vicente Calderón. Gegen diese Meister der Destruktivität einen Rückstand aufzuholen, noch dazu in der Festung an der Stamford Bridge, das ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Atlético aber schaffte durch Adrián Lopez noch vor der Pause den Ausgleich und spielte Chelsea in der zweiten Halbzeit an die eigene Tribünenwand. Nach weiteren Toren von Arda Tura und Diego Costa und noch ein paar Minuten vor dem Abpfiff ging José Mourinho zu Simeone und gratulierte ihm zu diesem Meisterstück.

Ein paar Wochen später fehlten Atlético im Finale von Lissabon gegen die stadtinterne Konkurrenz von Real nur ein paar Sekunden zum größten Erfolg der Klubgeschichte. Erst in der Nachspielzeit glich Real durch Sergio Ramos noch aus und gewann dann in der Verlängerung 4:1. Zwei Jahre später wiederholte sich das Drama. Wieder gegen Real, diesmal in Mailand und im Elfmeterschießen, aber das ist eine andere Geschichte.

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