KSK vergab rechtswidrig Aufträge

Bundeswehreinheit soll bis zu 40 Prozent der Verträge entgegen den Richtlinien abgeschlossen haben

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) steht erneut vor einem Skandal. Laut Recherchen von NDR und WDR hat die Eliteeinheit der Bundeswehr seit 2014 offenbar systematisch Aufträge an Unternehmen vergeben, ohne sich dabei an die geltenden Vergaberichtlinien zu halten. Eine interne Überprüfung der Bundeswehr habe demnach ergeben, dass mehr als 40 Prozent der für das KSK abgeschlossenen Verträge rechtswidrig abgeschlossen wurden. Aufträge habe man so jahrelang »freihändig« nach angeblichen Alleinstellungsmerkmalen an bestimmte, nahestehende Partner vergeben - ohne, wie vorgesehen, Vergleichsangebote einzuholen oder die Aufträge auszuschreiben.

Nach den Berichten hat das Bundeswehrdienstleistungszentrum in Bruchsaal etwa 200 der insgesamt rund 2000 Auftragsvergaben des KSK aus den Jahren 2014 bis 2020 als Teil einer »erweiterten Stichprobenüberprüfung« untersucht. In 97 Fällen habe es die entsprechenden Unregelmäßigkeiten gegeben, dazu teils gravierende Mängel in der Dokumentation. Laut Recherchen des NDR und WDR hatten mehrfach Bekannte oder ehemalige Soldaten des KSK von den Geschäften profitiert.

Die möglichen Verflechtungen von privaten Interessen und dienstlichen Entscheidungen der Eliteeinheit scheinen generell umfangreich: Laut jüngsten Berichten des Medienprojekts »The Pioneer« umfasste eine interne Liste der Bundeswehr im vergangenen Juni mindestens 124 Nebentätigkeiten von KSK-Angehörigen, ehe die Zahl nun auf rund 150 solcher Tätigkeiten anwuchs. Ob es dabei zu größeren Interessenkonflikten oder unerlaubter Weitergabe von Dienstgeheimnissen kam, werde derzeit geprüft. Ein besonderes Augenmerk liege dabei auf direkten oder indirekten Verbindungen von KSK-Soldaten zu privaten Sicherheitsfirmen.

Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft reagierten empört auf diese neuen Erkenntnisse. »Ist es nicht langsam an der Zeit, diesen kriminellen Clan zu verbieten?«, frage die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten am Dienstag. »Jetzt muss nur noch rauskommen, dass beim KSK dieser Kaffee gerne bestellt wurde, dann ist die Geschichte rund«, erklärte die Linke-Abgeordnete Martina Renner und verwies dabei auf den »Black Ops Coffee«. Die Marke des Kaffee-Unternehmens wurde im November 2016 eingetragen - ihr damaliger Besitzer war Mitbegründer von Uniter, einem unter Rechtsextremismusverdacht stehenden Verein. Beobachter vermuten schon länger, dass es Unternehmen beziehungsweise private Sicherheitsunternehmen ehemaliger Soldaten mit massiven Verbindungen in die extrem rechte Szene gibt. Das ARD-Magazin »Kontraste« und der »Spiegel« hatten vergangenes Jahr diesbezüglich auch etwa über die Firma Asgaard Security berichtet, die verstärkt Mitarbeiter aus Eliteeinheiten rekrutiert. Deren Chef hatte die Vorwürfe jedoch zurückgewiesen.

Der neue Skandal kommt für die Einheit zeitlich unpassend: Die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wollte am Dienstag einen Bericht zum Stand der Reformen beim KSK vorlegen. Im Mittelpunkt sollte dabei die Bekämpfung extrem rechter Tendenzen stehen. Im Herbst hatte die Ministerin hierzu 60 Maßnahmen vorgestellt, in denen es unter anderem um den Umgang mit Verdachtsfällen, um Prävention und um Personal geht. Der für Dienstag erwartete Bericht sollte eine Zwischenbilanz zum Stand der Umsetzung ziehen. Bis zum Redaktionsschluss waren die Ergebnisse noch nicht öffentlich. Im Sommer soll eine Grundsatzentscheidung über die Zukunft der Truppe getroffen werden.

Der Bundestag dürfte sich bei der Vorstellung des Berichts jedoch auch mit den aktuellen Ungereimtheiten auseinandersetzen. Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner sprach angesichts der Entwicklungen von einem »gravierenden Befund«. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler forderte »mehr Transparenz« bei den Nebentätigkeiten und bei den Geschäftskontakten der Truppe. Die Linkspartei verlangte erneut die Abschaffung des KSK in seiner aktuellen Form. Die systematischen Regelverstöße bei der Einheit seien »ein strukturelles Problem, und das wird sich nur beheben lassen durch strukturelle Eingriffe«, sagte der Wehrexperte der Linksfraktion, Matthias Höhn.

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