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Mars for Future

Heiße Zeiten - die Klimakolumne: Lasse Thiele für Tesla und die Tragödie des grünen Kapitalismus

  • Lasse Thiele
  • Lesedauer: 3 Min.

Teslas E-Auto-Fabrik in Brandenburg hat Fans vom Land bis zur EU. Die Investitionen! Die Arbeitsplätze (gerne gewerkschaftsfrei, aber hey)! Eine Gigafactory! Welch futuristische Brise in der sandigen Ödnis vor Berlin. Das Riesenwerk, das der Wasserknappheit hier nicht eben abhelfen wird, ist zwar noch nicht genehmigt, aber fast fertiggebaut.

Die deutsche Autoindustrie tastet sich nur widerwillig in Richtung E-Mobilität. Kaufprämien für Hybridwagen, die nie am Stromnetz geladen werden und so faktisch bloße Verbrenner bleiben, versinnbildlichen das vorherrschende deutsche Verhältnis zum E-Auto: »Muss das sein?« Da schneit Teslas Elon Musk mit techno-revolutionärem Elan und Hollywood-Grandezza herein: 21. Jahrhundert? Einfach überspringen. Teslas Boliden wirken bisweilen schon wie für Autorennen auf dem Mars konstruiert, dessen Besiedlung Musk bekanntlich nebenberuflich vorbereitet.

Das reißt auch hierzulande manche Klimaschützer*innen mit. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) war kürzlich stolz, mit einem Brandbrief von Musk den klimapolitischen Totalausfall der Bundesregierung tadeln zu dürfen (er forderte dabei eigentlich nur eine zackigere Baugenehmigung). Welch mächtiger Verbündeter, um die Blockademacht der deutschen Konzerne zu untergraben, mit denen sich die DUH seit dem Abgasskandal ein bewundernswertes Privatduell liefert? Doch mal angenommen, das würde gelingen und Tesla den hiesigen Automarkt so richtig »disrupten«, wie es auf Neukapitalistisch heißt - was dann? Der Börsenhype setzte erst richtig ein, als Tesla vor zwei Jahren mit Massenfertigung begann und 2020 erstmals Gewinne einfuhr. Letztlich, darauf basiert die Spekulation, muss die »wertvollste Firma der Welt« ihr Geld wohl wie jeder herkömmliche Autohersteller verdienen: möglichst viele Autos absetzen, am besten im hochpreisigen, Hoch-PS-Segment.

Das ist nur begrenzt durch die Erfüllung schlichter Mobilitätsbedürfnisse umsetzbar. Dauerhaft verlangt es eine satte Portion gewöhnlicher Autokultur: Sicherheitsideologie verkauft SUVs, verschiedene Ausprägungen von Männlichkeitskomplexen Gelände- oder Sportwagen. Das weiß auch die langsam nachziehende deutsche Konkurrenz: Als Audi neulich seinen neuen E-SUV vorstellte, verschwand Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) als Gratiswerbefigur fast neben dem Zweitonner.

Das Beispiel deutet es an: E-Mobilität ist nicht per se »grün«. Es kommt ganz auf den Rahmen und die Größenordnung an. Dauerhaftes Wachstum - oder selbst bloßer 1:1-Ersatz aller Verbrenner - ließe den Gesamtstrombedarf deutlich steigen. Stärker noch wiegt die neokoloniale Geschäftsgrundlage, der enorme Verbrauch knapper Rohstoffe für Batterien und Fahrzeugteile, die wie Nickel und Lithium mit teils toxischen Abbaumethoden im globalen Süden gefördert werden. (O-Ton Musk zum Putsch im lithiumreichen Bolivien: »Wir putschen, gegen wen wir wollen.«) Ganz zu schweigen von Parkplätzen und Straßenbau, all den bleibenden Kollateralschäden des Autowesens.

Daher fragen Wissenschaftler*innen wie Aktivist*innen, die eine gesellschaftliche Mobilitätswende fordern, zuerst: Wie entstehen Mobilitätsbedürfnisse, wo wären sie sinnvoll reduzierbar? Dann erst technischer: Welche Infrastrukturen bringen Menschen möglichst gleichberechtigt und umweltschonend von A nach B? ÖPNV und Fernzüge sind zentral, motorisierter Individualverkehr würde nur den Teil beitragen, der sich anders nicht decken lässt. Die Rest-Autoflotte würde über effizientes Carsharing möglichst klein gehalten - dann gerne elektrisch.

All das stieße schnell an die Grenzen des kapitalistisch Erträglichen. Der »grüne« Kapitalismus Marke Tesla bleibt zur Profitsicherung darauf angewiesen, mit bloßer Antriebsumstellung eine weltweit wachsende Fahrzeugflotte zu begrünen. Die einzige langfristige Lösung, die er an den Horizont malt, ist eine dystopische: diesen Planeten mit Elektrostraßenpanzern zuparken und alsbald auf den Mars umsiedeln.

Tesla mag kurzfristig als Verbündete erscheinen. Doch wer auch immer jetzt E-Autos produziert, bleibt der Mars-for-future-Logik des Autokapitalismus verpflichtet. Wer klimagerechte Mobilität ganz irdisch realisieren will, muss dann doch in Richtung einer Mobilitätswende abbiegen, die einer postkapitalistischen Bedürfnislogik folgt.

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