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  • Rechtsextremismus in Berlin

Neonazis legen »Feindeslisten« an

Rechtsextremisten haben private Daten von 1000 Berlinern erfasst

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 2 Min.

Wer sich in Berlin klar gegen rechte Gewalt, Rassismus und Antisemitismus positioniert, gerät offenbar schnell ins Visier von Rechtsextremisten. Dass politische Gegner oder auch nur missliebige Personen der rechten Szene dann auch regelrecht ausgeforscht werden, belegen von der Polizei beschlagnahmte Dossiers. In den vergangenen fünf Jahren sind mindestens vier derartige Datensammlungen, sogenannte Feindeslisten mit den Namen von knapp 1000 Berlinern sichergestellt worden. Sie enthalten personenbezogene Daten wie Vor- und Familiennamen, Wohn- und Meldeanschriften, Telefonnummern sowie berufliche Tätigkeiten. Das geht aus der Antwort der Berliner Innenverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der Linke-Abgeordneten im Abgeordnetenhaus, Anne Helm und Niklas Schrader, hervor. Berichtet hatte darüber RBB24 am Mittwochabend.

Laut RBB24 ist der mehrfach vorbestrafte Neonazi Sebastian T., einer der Hauptverdächtigen der Neuköllner Anschlagsserie, Urheber von mindestens einer der »Feindeslisten«. Darauf befänden sich teils persönliche Daten von gegen Rechtsextremismus engagierten Bürgern, Lokalpolitikern von Linke und SPD sowie Journalisten, heißt es. Zu der Anschlagserie zählen 72 Taten wie Brandstiftungen und Drohungen gegen linke Politiker und Initiativen zwischen 2016 und 2018.

Eine weitere Liste mit einer Karte von Berliner Asylunterkünften und personenbezogenen Daten, die im Rahmen eines polizeilichen Internetmonitorings entdeckt wurde, habe man der NPD zugeordnet, heißt es.

»Wer die Verfasser dieser Listen sind, wollte die Senatsinnenverwaltung mit Rücksicht auf laufende Verfahren nicht sagen«, teilte RBB24 mit. Deren Sprecher Martin Pallgen bestätigte dem »nd«, dass die Namen der Urheber aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes aber auch aus ermittlungstaktischen Gründen nicht genannt würden.

»Dass es solche Listen gibt, ist eigentlich nicht neu. Sie tauchen immer wieder eher zufällig etwa bei Hausdurchsuchungen auf«, sagte Niklas Schrader, Innenexperte der Linksfraktion, am Donnerstag dem »nd«. »Das verdeutlicht schon, dass es derartige ›Feindeslisten‹ wohl zuhauf im extrem rechten Lager gibt, und dass das, was bekannt ist, wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs ist.« Die extrem rechte Szene arbeite mit diesem Instrument, um Menschen einzuschüchtern.

Von den Behörden müsse verlangt werden, dass Personen, die auf derartigen Listen auftauchen, unverzüglich informiert werden, forderte Schrader. Das werde zwar zugesichert. »Aber inwieweit diese Menschen durch die Sicherheitsbehörden informiert werden, wenn es eine neue ›Feindesliste‹ gibt, sie aber bereits auf einer anderen stehen - da habe ich meine Zweifel.« Neben Aufklärung bräuchten diese Personen, wenn nötig, auch Schutz. »Dass diese Listen auch dafür verwendet werden, um gezielte Anschläge, Übergriffe und Bedrohungen zu verüben, ist längst klar.« Es müsse stets geprüft werden, ob eine konkrete Gefährdung für Betroffene bestehe.

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