Unter falscher Flagge

In Frankfurt am Main hat der Prozess gegen Franco A. wegen Anschlagsplanungen begonnen

  • Joachim F. Tornau, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 5 Min.

Raunen ist die vorherrschende Tonlage an diesem Donnerstag im Frankfurter Oberlandesgericht. Nicht im Saal, nicht auf der Pressetribüne, auch nicht wegen des perfiden Plans, der dem dunkelgelockten Vollbartträger auf der Anklagebank von der Bundesanwaltschaft zur Last gelegt wird: Franco A., ein Offizier der Bundeswehr, der mit Karohemd und brauner Weste gerade freilich nicht allzu schneidig aussieht, soll Mordanschläge auf prominente Feindbilder der extremen Rechten wie Außenminister Heiko Maas (SPD) oder Grünen-Politikerin Claudia Roth geplant und sich dafür die Tarnidentität als syrischer Bürgerkriegsflüchtling »David Benjamin« zugelegt haben.

»Die Taten waren darauf angelegt, von der Bevölkerung als Taten eines asylsuchenden Flüchtlings wahrgenommen zu werden«, heißt es in der Anklage, die Staatsanwältin Karin Weingast vorträgt. Ein Versuch, so lässt sich das verstehen, den von Rechtsaußen wegen der Flüchtlingsmigration herbeifantasierten »Bürgerkrieg« selbst zu entfesseln und damit den Boden für einen antidemokratischen Umsturz zu bereiten.

Nein, geraunt wird nicht wegen dieses immer noch unfassbaren Vorwurfs. Geraunt wird im Eröffnungsstatement der Verteidigung. Von »quasi autokratischem Regierungshandeln« ist da die Rede, vom drohenden Untergang des Rechtsstaats, gar von einer »mehr oder minder offenen Patenschaft von Teilen der Bundesregierung mit Schleuserbanden«. Gemeint ist wohl die Nicht-Schließung der Grenzen im August 2015. Die Mainzer Anwälte Moritz David Schmitt-Fricke und Johannes Hock kontern die Vorwürfe gegen ihren Mandanten, indem sie ihn, kurz gefasst, zum Opfer einer Verschwörung von Bundesregierung, weisungsabhängiger Bundesanwaltschaft und rufmordenden Medien erklären. Franco A., sagen sie, solle nur deshalb zum Rechtsterroristen gemacht werden, weil er mit seiner »Köpenickiade« der deutschen Flüchtlingspolitik den Spiegel vorgehalten habe.

Doppelleben und Munitionsbeschaffung

Unbestritten ist: Mehr als ein Jahr lang führte der Oberleutnant ein Doppelleben zwischen einer Kaserne im Elsass, wo er in einem deutsch-französischen Bataillon Dienst tat, und einer Geflüchtetenunterkunft in Bayern. Obwohl er fast kein Arabisch spricht, war es ihm 2016 gelungen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu übertölpeln.

Wozu die Anwälte nichts sagen: Parallel soll Franco A. sich illegal ein Sturmgewehr und weitere Schusswaffen besorgt sowie bei der Bundeswehr Hunderte Schuss Munition, Patronengürtel und Sprengsatzteile entwendet haben. Und er soll Anetta Kahane, die Vorsitzende der bei Rechten verhassten Amadeu Antonio Stiftung, als eines seiner möglichen Anschlagsopfer ausspioniert haben. Jedenfalls wurden bei ihm Fotos aus der Tiefgarage der Stiftung in Berlin gefunden - aufgenommen im Juli 2016, wenige Tage nachdem sich Franco A. in Frankreich laut Anklage eine Pistole gekauft haben soll.

Es war eben jene Waffe, die ihn ein halbes Jahr später auffliegen ließ. Eine Reinigungskraft am Wiener Flughafen hatte sie gefunden, versteckt auf einer Toilette, und die Polizei alarmiert. Als Franco A. wiederkam, um die geladene Waffe abzuholen, wurde er festgenommen. Doch seine Fingerabdrücke hatten die Behörden bereits unter einem anderen Namen gespeichert: dem des angeblichen Syrers »David Benjamin«. Franco A. beteuerte indes, er sei zu dieser Pistole gekommen »wie die heilige Jungfrau zu ihrem Kinde«: Er habe sie beim Pinkeln in einem Wiener Gebüsch gefunden, eingesteckt, vergessen und sie dann am Flughafen kurz vorm Sicherheitscheck irgendwie loswerden wollen. So schrieb er es damals, wie nun vor Gericht verlesen, einem Rechtsberater der Bundeswehr.

Die Bundesanwaltschaft hat Franco A. wegen Verstößen gegen das Waffengesetz angeklagt, wegen Munitionsdiebstahls und Sozialleistungsbetrugs - rund 10 000 Euro soll er als »David Benjamin« zu Unrecht bekommen haben. Vor allem aber wirft sie ihm die »Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« vor. Obwohl ihm dafür bis zu zehn Jahre Haft drohen, betrat der 32-Jährige das Gericht als freier Mann. Schon seit Ende 2017 sitzt der Angeklagte, auch von der Bundeswehr bislang nur suspendiert, nicht mehr in Untersuchungshaft. Denn die Beweislage ist schwierig. Das Oberlandesgericht zeigte sich sogar derart skeptisch, dass es den Terrorvorwurf eigentlich gar nicht zur Verhandlung zulassen wollte. Der Staatsschutzsenat musste vom Bundesgerichtshof erst dazu verdonnert werden - ein Grund, warum nun schon mehr als vier Jahre seit der Festnahme von Franco A. vergangen sind.

Angeklagt nur als Einzeltäter

Angeklagt ist er als Einzeltäter. Dabei war der Mann, der schon zu Jugendtagen von einem rechten Putsch träumte und als Masterarbeit an einer französischen Militärschule ein wüstes Pamphlet über den angeblich jüdisch gesteuerten »Bevölkerungsaustausch« einreichte, offenbar bestens vernetzt. Er gehörte dem »Hannibal«-Netzwerk an, in dem sich, geleitet von einem mittlerweile ehemaligen Offizier der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte, Angehörige von Bundeswehr, Polizei und Behörden auf den »Tag X« eines Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung vorbereiteten - vorgeblich als harmlose »Prepper«, in Wahrheit aber wohl eher in der Hoffnung auf eine Gelegenheit zum gewaltsamen Umsturz. Auch zu alledem äußern sich die Anwälte nicht. Stattdessen zitieren sie Jugendfreunde, ehemalige Lehrer und Bundeswehr-Kameraden, die Franco A. als nett und weltoffen schildern und die nie eine rechtsextreme Äußerung von ihm gehört haben wollen.

Nach dem Ende dieses ersten Verhandlungstags tritt Franco A. draußen vor die Fernsehkameras und nennt das Verfahren eine »Farce«. Drinnen im Saal will er erst am Dienstag sprechen. Beim russischen Desinformationskanal RT Deutsch konnte er zwei Tage vor Prozessbeginn schon einmal üben: Freundlich geduzt von der Moderatorin, durfte er sich in einem 45-minütigen Interview zum unschuldigen Opfer einer politischen Justiz erklären. Vor Gericht will er Fragen allerdings lieber nicht beantworten. Sie würden wohl unangenehmer ausfallen.

Für den Prozess sind elf weitere Verhandlungstage bis Mitte August angesetzt.

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