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Argumente statt Ausschlüsse
Mitglieder wollen Sahra Wagenknecht aus der Linkspartei werfen, die Führung ruft zum inhaltlichen Austausch auf
Sahra Wagenknecht sieht sich mit einem Parteiausschlussverfahren konfrontiert. Am Mittwochabend reichten Kritiker*innen der nordrheinwestfälischen Spitzenkandidatin einen entsprechenden Antrag bei der Schiedskommission ihres Landesverbandes ein. Die Bundesparteispitze hält den Antrag für den falschen Weg.
Die Wagenknecht-Kritiker*innen, die den Antrag auf Parteiausschluss gestellt haben, sollen aus mehreren Bundesländern kommen. Namentlich sind sie bislang nicht bekannt. Sie stützen sich auf Wagenkechts im April veröffentlichtes Buch »Die Selbstgerechten«, in dem sie auch die Linke scharf attackiert und werfen ihr vor, »in ihrer Kritik von elementaren Grundsätzen der Linken« abzuweichen und der Partei damit »schweren Schaden« zugefügt zu haben. Zusätzlich bemängeln die Wagenknecht-Gegner*innen, dass sie einen »kampagnenartigen Mediensturmlauf« gegen linke Positionen betreibe. In Folge der Buchveröffentlichung gab Wagenknecht zahlreiche Zeitungs- und Fernsehinterviews. Immer wieder äußerte sie sich dabei auch kritisch über ihre Partei oder vertrat Positionen, die gegenläufig zur überwältigenden Mehrheit in der Linken sind.
Für die Linke kommt der Antrag zur Unzeit. Nach dem schlechten Wahlergebnis bei der Sachsen-Anhalt-Wahl am vergangenen Sonntag gilt es noch Wunden zu lecken, die Niederlage aufzuarbeiten und die Mitglieder für den beginnenden Bundestagswahlkampf zu motivieren. Startpunkt dafür sollte eigentlich der Parteitag am kommenden Wochenende sein, bei dem die Partei ihr Bundestagswahlprogramm beschließen möchte.
Es ist daher wenig verwunderlich, wie sich die Linken-Spitze zum Ausschlussantrag gegen Wagenknecht äußert. »Wir halten den Ausschlussantrag gegen Sahra Wagenknecht nicht für richtig und für nicht gerechtfertigt. Politische Kontroversen tragen wir in der Partei durch den Austausch von Argumenten aus und nicht anders«, erklärte Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler in einer Mitteilung »für die Partei«. In Wahlkampfzeiten habe »die Auseinandersetzung mit den politischen Kontrahenten Vorrang«. Die Parteimitglieder rief Schindler auf, »innerparteiliche Differenzen zurückzustellen« und sich auf den Bundestagswahlkampf zu konzentrieren.
Wirklich glücklich mit dem Versuch Wagenknecht aus der Partei auszuschließen sind auch dezidierte Kritiker der umstrittenen Politikerin nicht. Daniel Kerekeš, Ratsherr der Linken in Essen, hatte die Aufstellung Wagenknechts für die Bundestagswahl scharf kritisiert. Trotzdem ist er gegen ein Ausschlussverfahren: »Ich finde, dass das Buch von Sahra Wagenknecht und ihre Positionen, die sie in diesem Buch verritt, kritisiert gehören. Deshalb kritisiere ich die inhaltlichen Positionen Sahras auch selbst. Aber ein Ausschlussantrag verhindert eine notwendige inhaltliche Debatte in der Partei und ist auch völlig überzogen, weshalb nicht nur ich ihn ablehne.« Auch andere Wagenknecht-Kritiker*innen aus dem Bundesland erklärten in Gesprächen mit »nd«, dass sie die Herangehensweise für falsch hielten. Wagenknecht könne das Ausschlussverfahren sogar noch nutzen, da sie sich als »Opfer inszenieren« könne.
Die Schiedskommission der nordrhein-westfälischen Linken will sich in den nächsten Tagen mit dem Parteiausschlussverfahren beschäftigen. Sollte das Landesgremium für einen Ausschluss stimmen, bliebe Wagenknecht die Möglichkeit, Widerspruch vor der Bundesschiedskommission einzulegen. Auch wenn diese für einen Ausschluss stimmt, bleibt der Politikerin noch der Gang vor staatliche Gerichte. Die SPD etwa brauchte Jahre, um Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen. Selten sind Ausschlussverfahren in der Linken auch nicht. Auf der Internetseite der Bundesschiedskommision finden sich unter dem Schlagwort »Parteiausschluss« 104 Treffer. In den meisten Fällen wurde ein Ausschluss abgelehnt. Das liegt auch am Parteienrecht in Deutschland. In der Satzung der Linken heißt es zum Ausschluss von Mitgliedern: »Der Ausschluss ist nur möglich, wenn das Mitglied vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnungen der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.«
Für ähnlich viel Gesprächsstoff wie der Ausschlussantrag gegen Wagenknecht haben Aussagen von ihrem Ehemann Oskar Lafontaine in den vergangenen Tagen gesorgt. Lafontaine riet davon ab, bei der Bundestagswahl die Linke mit der Zweitstimme zu wählen. Hintergrund ist ein Konflikt zwischen Lafontaine und dem Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze, der zum Spitzenkandidaten der saarländischen Linken gewählt wurde. Lutze wird vorgeworfen, Stimmen für seine Wahl gekauft zu haben. Er streitet diese Vorwürfe ab. Lafontaines Aufruf die Linke nicht zu wählen soll an diesem Wochenende auch im Parteivorstand besprochen werden.
Manche in der Linken glauben allerdings auch, dass Wagenknecht und Lafontaine das Interesse an der Linken verloren haben könnten. Dem Kreisverband aus dem nordrhein-westfälischen Wesel wurden die internen Debatten zu bunt. In einem landesweiten Mailverteiler wurde heftig gestritten, viel ging es dabei auch um die Befürchtung, Sahra Wagenknecht könne die Partei nach der Bundestagswahl verlassen. Die Linken aus Wesel verschickten daraufhin eine Mail an alle Bundestagskandidat*innen, darin enthalten eine unterschriftsreife »Ehrenerklärung«, mit der die Kandidat*innen erklären sollten, dass sie nicht planen, die linke Bundestagsfraktion in der kommenden Legislaturperiode zu verlassen. Der Erfolg, bisher mäßig, bisher kam keine unterschriebene Erklärung bei den Genoss*innen in Wesel an.
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