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Mehr als nur ein Fußballspiel

Hitzige Debatten begleiten das Duell England gegen Schottland

  • Nils Bastek, Philip Dethlefs und Christian Kunz, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Das schon sportlich brisante Duell der Erzrivalen England und Schottland lädt sich bereits vor dem Anpfiff an diesem Freitag (21 Uhr/ZDF) auch politisch auf. Sportlich geht es ums EM-Achtelfinale oder vielleicht schon das Ende aller Turnierträume, dazu aber auch um einen von Fans und Politik teils hitzig diskutierten Kniefall. Und dann schwebt noch die Debatte über eine mögliche Loslösung Schottlands von Großbritannien über dem ältesten Nationenduell der Fußball-Geschichte. Doch trotz alledem: Die bis zu 22 500 Zuschauer in Londons ruhmreicher Arena dürften erneut eine große und bierselige EM-Party feiern.

Einheitsgeste gegen Rassismus

Es gibt kaum ein Duell mit größerer Tradition. 1872 trafen England und Schottland in Glasgow erstmals aufeinander, das 0:0 war zugleich das erste offizielle Länderspiel der Fußballhistorie. Ein Remis an diesem Freitag wäre dagegen eine Überraschung. Die Engländer gehen nach ihrem souveränen 1:0 gegen Kroatien als klarer Favorit und mit Titelambitionen in die Partie gegen den Nachbarn, der nach der 0:2-Niederlage gegen Tschechien schon unter Druck steht. Die Ausgangslage ist klar: England kann mit einem weiteren Erfolg für das Achtelfinale planen, die Schotten wollen das mit aller Macht verhindern. »Wir kommen, um drei Punkte mitzunehmen«, kündigte Schottlands Mittelfeldspieler John McGinn an.

Trotz aller Rivalität werden beide Teams zumindest vor dem Anpfiff für wenige Sekunden zusammenhalten. Die Engländer gehen ohnehin vor jedem ihrer EM-Spiele mit einem Knie auf den Boden, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu protestieren. An diesem Freitag werden sich die Schotten mit ihnen solidarisieren. Der Kniefall gefällt nicht jedem: Und so werden einige Zuschauer im Wembley-Stadion die Geste erneut ausbuhen, die meisten von ihnen aber klatschen.

»Bitte respektieren Sie die Spieler, wenn sie niederknien«, appellierte Englands Verband FA in einer Stellungnahme am Donnerstag. Der Appell verdeutlicht, wie aufgeladen die Stimmung ist. Seit Tagen diskutieren teils hochrangige Politiker auf der Insel kontrovers über den Kniefall, den Englands Spieler das ganze Turnier über durchziehen wollen.

Schotten fühlen sich vernachlässigt

Nicht nur dieser Protest gibt dem Duell eine politische Komponente. Schon seit Längerem wird in Schottland emotional über eine Trennung vom Vereinigten Königreich diskutiert. Die regierende Schottische Nationalpartei (SNP) strebt nach 2014 ein zweites Unabhängigkeitsreferendum und die anschließende Rückkehr zur Europäischen Union an. Regierungschefin Nicola Sturgeon machte das auch zum Thema der vergangenen Parlamentswahl, die ihre SNP klar gewann. Der britische Premierminister Boris Johnson lehnt ein erneutes Referendum jedoch ab.

Kritiker in Schottland werfen Johnsons Regierung wiederum vor, sie kümmere sich hauptsächlich um England und vernachlässige andere Landesteile. Nicht nur deshalb wäre ein Sieg gegen den »Auld Enemy«, noch dazu im Wembley-Stadion, für viele Schotten das Größte. Als die Schotten 1977 ihren Erzrivalen genau hier besiegen konnten, stürmten zahlreiche Fans im Anschluss vor Freude den Rasen. Das wird diesmal angesichts der hohen Sicherheitsvorkehrungen bestimmt nicht passieren. Dennoch ist eines sicher: In Wembley wird es knistern.dpa/nd

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