Verpasste Chance

Algeriens Premierminister Abdelaziz Djerad ist zurückgetreten

  • Claudia Altmann, Algier
  • Lesedauer: 2 Min.

Hinter ihm liegt ein undankbarer Job: Mitten in einer der tiefsten wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krisen Algeriens – überschattet von einer Pandemie – stand Abdelaziz Djerad an der Spitze der Regierung des nordafrikanischen Landes. Jetzt ist der 67-Jährige zurückgetreten. Ende Dezember 2019 hatte ihn Abdelaziz Tebboune kurz nach der eigenen Ernennung zum Staatschef ins Boot geholt. »Wir müssen mit all unserem Sachverstand und den Bürgerinnen und Bürgern arbeiten, um diese schwere Zeit zu überwinden und Vertrauen zurückgewinnen«, so damals Djerads Ansage angesichts landesweiter Massenproteste gegen das alte System. Sein Pluspunkt: Er selbst galt als heftiger Kritiker des zuvor abgesetzten Langzeitpräsidenten Abdelaziz Bouteflika.

Auch an Kompetenz und Erfahrung mangelte es ihm nicht: Der habilitierte Politikwissenschaftler und Hochschullehrer studierte in Algerien und Frankreich; seit den 1990er Jahren bekleidete er hohe Posten im Präsidialamt und im Außenministerium und leitete drei Jahre die Elitehochschule für Staatsbeamte. Von Bouteflika Anfang der 2000er Jahre beiseitegeschoben, kehrte der parteilose Technokrat erst vor anderthalb Jahren in die Exekutive zurück und stellte sich hinter das Programm Tebbounes.

Djerads Rücktrittsgesuch kommt nicht überraschend, denn es fällt zeitgleich mit der Bekanntgabe der Ergebnisse der Parlamentswahlen von vor zwei Wochen: Die historisch niedrige Wahlbeteiligung von weniger als einem Viertel der Stimmberechtigten spricht eine klare Sprache über die Bilanz des Ex-Premiers in Sachen Vertrauen. Neben dem repressiven Vorgehen gegen die Protestbewegung haben ausgebliebene Reformen im Wirtschafts- und Finanzsektor daran ihren Anteil. Die Auswirkungen schlagen immer mehr auf das tägliche Leben der Bevölkerung durch. Keine guten Empfehlungen, um an die Spitze der neuen Regierung gestellt zu werden.

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