Stammbahn mit mehr Dampf

Brandenburger und Berliner Linke fordern schnelle Wiederinbetriebnahme

  • Nicolas Šustr, Potsdam
  • Lesedauer: 2 Min.

»Verkehrspolitisch ist das Projekt ein Bummelzug«, sagt Christian Görke. Der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion im Brandenburger Landtag spricht über die mögliche Wiederinbetriebnahme der Potsdamer Stammbahn, der direkten Verbindung von Potsdam und Berlin über die stillgelegte Strecke zwischen Griebnitzsee und Zehlendorf und weiter entlang der S1 gen Hauptbahnhof. Zusammen mit dem Berliner Abgeordnetenhausmitglied Franziska Brychcy aus Steglitz-Zehlendorf fordert er eine sofortige Entscheidung, die Gleise als Regionalbahnverbindung wieder in Betrieb zu nehmen.

Der mögliche Wiederaufbau ist Teil des Schieneninfrastrukturausbauprojekts i2030 der beiden Länder. Geprüft wird jedoch sowohl eine Inbetriebnahme als S-Bahn oder als Fernbahnstrecke mit neuen Regionalbahnhöfen an der Grenze von Berlin-Düppel und Kleinmachnow sowie am Gewerbestandort Europarc Dreilinden mit rund 4000 Arbeitsplätzen.

Geschichte der Stammbahn

Als erste Eisenbahnstrecke Preußens wurde 1838 die Berlin-Potsdamer Eisenbahn eröffnet, daher der Name Stammbahn. Die rund 26 Kilometer lange Strecke führte auf direktem Weg vom Potsdamer Bahnhof am heutigen Potsdamer Platz über Steglitz und Zehlendorf zum heutigen Potsdamer Hauptbahnhof.

Heute befährt die S1 den größten Teil der historischen Strecke in Berlin, sie zweigt jedoch in Zehlendorf über die Wannseebahn ab. Regional- und Fernzüge nutzen heute die in Berlin-Charlottenburg von der Stadtbahn abzweigende Wetzlarer Bahn durch den Grunewald für die Verbindung Richtung Potsdam.

Mit der Sprengung der Brücke über den Teltowkanal durch deutsche Truppen zum Ende des Zweiten Weltkriegs im April 1945 endete der Verkehr zwischen Berlin-Zehlendorf und Potsdam-Griebnitzsee. Von Zehlendorf nach Berlin-Düppel pendelte ab Dezember 1945 ein S-Bahnzug. Mit dem Mauerbau 1961 fielen die Fahrgäste aus dem brandenburgischen Kleinmachnow weg, der Endbahnhof lag direkt an der Stadtgrenze, die zur Systemgrenze geworden war. Der West-Berliner S-Bahn-Boykott tat sein übriges. In Folge des S-Bahn-Streiks 1980 stellte die Deutsche Reichsbahn den Betrieb komplett ein. nic

»Der Brandenburger Landtag spricht sich dafür aus, die Wiederinbetriebnahme als Regionalbahn durchzusetzen. In Berlin gibt es leider noch keinen solchen Stand«, sagt Görke am Vorplatz des Bahnhofs Griebnitzsee. »Es braucht eine politische Entscheidung noch vor der Wahl im Herbst«, fordert Brychcy. »Es kann nicht sein, dass wir seit 2017 eine Machbarkeitsuntersuchung am Laufen haben und es immer noch kein Ergebnis gibt.« Mit mehr als einem Dutzend Interessierter brechen sie am Freitag zu einer Radtour entlang der Strecke bis Zehlendorf auf. Sie ist als Demonstration angemeldet. Zu den Teilnehmenden gehören Mitglieder der seit 1999 existierenden Bürgerinitiative Stammbahn, die für den Wiederaufbau kämpft, sowie der Brandenburger Landesvorsitzende des Deutschen Bahnkundenverbands, Michael Wedel. Das Beispiel der Verlängerung der S2 von Blankenfelde nach Rangsdorf zeige, wie die Planung beschleunigt werden könne, sagt er. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke habe das einfach beschlossen.

»Für den Korridor Potsdamer Stammbahn finden regelmäßige Gespräche zwischen den Ländern und der Deutschen Bahn zum Systementscheid (Regionalverkehr oder S-Bahn) und zu den weiteren Planungsschritten statt«, heißt es recht neutral im Fortschrittsbericht der Berliner Verkehrsverwaltung für das Berliner Abgeordnetenhaus. Die Verhandlungen für den Finanzierungsvertrag für die Vorplanungen sollen demnach dieses Jahr aufgenommen werden, »damit die entsprechenden Planungsleistungen spätestens im Jahr 2022 beginnen können«.

»Wir haben nicht nur Berlin zu betrachten, wie die Berliner Grünen das möchten, dass es nur eine kleine S-Bahnvariante wird«, erklärt Franziska Brychcy. »Wir wollen die Regionalbahnvariante, weil wir wissen, das Brandenburg auch eine gute Anbindung an Berlin braucht.«

Da die Strecke formal nicht entwidmet worden ist, könnten möglicherweise gewisse Teile mit einem einfacheren Plangenehmigungsverfahren wieder in Betrieb genommen werden. »Jeder Monat, der jetzt verstreicht wird dazu führen, dass eine Wiederinbetriebnahme vor 2030 in weite Ferne rückt«, meint Christian Görke.

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