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Gutachten: Bruch der Berliner Hochschulverträge unrechtmäßig
Berliner Hochschulen bereiten Klage gegen den Senat vor
Im Streit um die weitreichenden Kürzungspläne des Berliner Senats für die Hochschulen stärkt ein aktuelles Gutachten die Position der Lehreinrichtungen. Der wissenschaftliche Parlamentsdienst des Berliner Abgeordnetenhauses kommt, von der Linksfraktion zur Prüfung aufgefordert, zu dem Schluss, dass die Hochschulen einen »durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung der Hochschulverträge haben«. Vor diesem Hintergrund sei für die Technische Universität Berlin (TU) »eine Klage eine reale Option«, sagte TU-Präsidentin Geraldine Rauch am Freitag.
Im Februar 2024 hatte der schwarz-rote Senat die Hochschulverträge unterzeichnet. Darin war ein Aufwuchs der Mittel um jährlich fünf Prozent bis Ende 2028 vorgesehen. Angesichts der wirtschaftlichen Schieflage kürzte der Senat entgegen der vertraglichen Vereinbarungen die Mittel um 145 Millionen allein für das Jahr 2025. Das entspricht einem Minus von 8,5 Prozent gegenüber den 1,7 Milliarden Euro, die durch den Senat zugesagt wurden, und einem Minus von 3,5 Prozent gegenüber den 1,6 Milliarden, die den Hochschulen noch 2024 zur Verfügung standen.
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Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) hatte am Montag bekannt gegeben, dass sich Berlin auf einen Abbau von 25 000 Studienplätzen einstellen müsse. Das entspricht etwa zehn Prozent des Gesamtvolumens.
Das Gutachten kommt nun einerseits zu dem Schluss, dass das Land Berlin die einmal vertraglich zugesagten Mittel nicht einfach reduzieren kann. Dass sich nach Vertragsunterzeichnung Einbrüche im Landeshaushalt ergeben hätten, »die vollkommen aus dem Rahmen des Vorhersehbaren fielen«, sei »eher fernliegend«. Die Hochschulen können darüber hinaus, sofern das Land vertragsbrüchig wurde, ihre Ansprüche auf dem Weg einer Klage durchsetzen, so der wissenschaftliche Parlamentsdienst.
Ob die Hochschulen eine Klage tatsächlich einreichen, dürfte sich schon in den nächsten Wochen entscheiden. Gespräche mit dem Senat sind für kommenden Montag und den 23. Juli geplant. Am 22. Juli will der Senat sein Eckpunktepapier für den Haushalt vorstellen. »Klar ist, wir werden nicht im Winter, sondern im Sommer, nach den Gesprächen vom 23. Juli entscheiden«, sagte TU-Präsidentin Rauch am Freitag bei einem Pressegespräch, zu dem die Linksfraktion eingeladen hatte.
Gegenwärtig bereiten alle Hochschulen gemeinsam eine Klageschrift vor, sagte Julia Neuhaus, Präsidentin der Hochschule für Technik und Vorsitzende der Landeskonferenz der Rektor*innen und Präsident*innen der Berliner Hochschulen. Die Klage werde eingereicht, wenn es bei den Zuspitzungen bleibt. Neuhaus zufolge habe der Senat für den Doppelhaushalt 2026/2027 einen Aufwuchs der Hochschulmittel von 1,3 bis 1,5 Prozent im Vergleich zum gekürzten Budget von 2025 in Aussicht gestellt.
»Das Einzige, was man schnell sparen kann, sind wissenschaftliche Mitarbeiter mit befristeten Verträgen. Deshalb hat das Vorgehen des Senats auch einen ganz klaren sozialen Bias.«
Geraldine Rauch TU-Präsidentin
Von den Vertreter*innen der Hochschulen wurde zum Ausdruck gebracht, dass sie zu einem strukturierten Sparen bereit wären. Allerdings, so formulierte es Neuhaus: »Über 80 Prozent unserer Verträge sind langfristige Verträge. Wir brauchen Transformationszeit.« Die TU Berlin sei bereit, ihre Rücklagen vollständig einzusetzen, aber das werde nicht reichen, »weil wir nicht so schnell sparen können«, sagte Präsidentin Rauch.
»Das Einzige, was man schnell sparen kann, sind wissenschaftliche Mitarbeiter mit befristeten Verträgen. Deshalb hat das Vorgehen des Senats auch einen ganz klaren sozialen Bias«, sagte Rauch. Die bisher veranschlagten Summen seien bis zum Ende der Vertragslaufzeit nicht realisierbar. Linksfraktionschef Tobias Schulze erwartet unter den gegebenen Voraussetzungen zahlungsunfähige Hochschulen in den nächsten zwei bis drei Jahren.
An der Humboldt-Universität für den Finanzhaushalt zuständig ist Niels Helle-Meyer. Er sei verpflichtet, Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen, »wie es vernünftige Kaufleute machen«, sagte er. Noch mehr zu sparen, wie es der Senat erwarte, sei ihm nur noch über die Senkung der Lohnkosten durch Ausstieg aus dem Tarifvertrag oder durch betriebsbedingte Kündigungen möglich. Man habe sich aber darauf verständigt, dass das keine Option sei. Insofern, sagte Helle-Meyer, sehe er die Hochschulen zu einer Klage gezwungen. »Wir können nicht auf Einnahmen verzichten. Das ist eine Frage der Vertragstreue gegenüber unseren Beschäftigten.«
Zusätzlichen Druck bekommen die Hochschulen von der Beschäftigtenseite. Die Tarifverträge der Hochschulen sind an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) angebunden. Der TV-L läuft Ende Oktober aus. Dann steht ein Arbeitskampf vor der Tür. Jana Seppelt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sprach angesichts eines notwendigen Ausgleichs für die Reallohnverluste der Beschäftigten der letzten Jahre von »struktureller Unterfinanzierung«.
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