Müllberge wachsen weiter

Verpackungsmüll ist für Abfallfirmen ein lukratives Geschäft. Der Grüne Punkt bekommt weitere Konkurrenz

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Müll ist attraktiv. Dabei quellen Deutschlands Mülltonnen von Kosmetiktuben, Pizzaschachteln und Saftflaschen über. Mit der Verwertung dieser Abfälle macht die Recyclingindustrie ein Geschäft, das seit Jahren zulegt und neue Akteure anzieht, die dem früheren Monopolisten »Grüner Punkt« Konkurrenz machen.

In diesem Jahr werden in den privaten Haushalten hierzulande allein an Verpackungen etwa neun Millionen Tonnen Müll anfallen, erwarten die dualen Systeme. Die Recyclingquote bei gesammeltem Glas beträgt 80, bei Papier sogar 85 Prozent. Bei Kunststoffen sind es lediglich rund 60 Prozent, womit Deutschland international aber noch gut dasteht.

»Alle Hersteller und Händler sowie Importeure und ausländische Exporteure, die in Deutschland verpackte Waren auf den Markt bringen, müssen sich bei einem dualen System beteiligen«, erklärt eine Sprecherin der dualen Systeme. Das gelte auch für den Onlinehandel. Unternehmen zahlen für Sammlung, Sortierung und Verwertung ihrer Verpackungen Beteiligungsentgelte. Laut einer Hochrechnung kostet dies jeden Verbraucher etwa 18 Euro im Jahr. In Summe sind dies rund 1,5 Milliarden Euro.

Doch damit das für die Abfallfirmen zu einem guten Geschäft wird, müssen die Verbraucher ordentlich mithelfen. Den Rohstoff der Branche liefert die Mülltrennung in den privaten Haushalten: In die gelbe Tonne gehören Verpackungen aus Plastik und Metall mit dem Grünen Punkt, in den Glascontainer Flaschen, und in den blauen Papiertonnen landen auch Pappen und Zeitungen.

Doch die Wiederverwertung ist manchmal schwierig. Häufig bestehen Verpackungen aus unterschiedlichen Kunststoffen, die nur schwer voneinander zu trennen sind. Technisch wäre dies zwar möglich, wirtschaftlich gilt es aber als zu teuer. Auch, weil neue Kunststoffe wegen niedriger Ölpreise und großer Herstellungskapazitäten billig sind.

Das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie macht sich daher für weniger Kunststoffsorten in Verpackungen stark. Die dualen Systeme seien eigentlich per Gesetz verpflichtet, Anreize zu schaffen, um die Verwendung von möglichst stark recycelbaren Materialien zu fördern, sagt Abteilungsleiter Henning Wilts. »Doch der knallharte Wettbewerb über den Preis verhindert das.«

Die Abfallwirtschaft setzt auf Optimierung der Prozesse und auf Zusatzgeschäfte. Als elftes Unternehmen stieß kürzlich Recycling Dual dazu. Es gehört mehrheitlich dem irischen Konzern Smurfit Kappa, größter Produzent von Papier- und Kartonverpackungen in Europa. Die Idee dahinter: alles aus einer Hand. Die Iren wollen ihre Industriekunden von Verpackungen überzeugen, die besser wiederverwertbar sind, was wiederum ihren Recyclingprodukten zugutekäme. Nach Firmenangaben hat die Deutschland-Tochter in Mönchengladbach nun alle Genehmigungen beisammen, um bundesweit anzutreten.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Schwarz-Gruppe. Deren Umweltsparte Prezero entsorgt die Verpackungen der Supermarkttöchter Lidl und Kaufland. Konkurrent Aldi dagegen zahlt sein Beteiligungsentgelt an Ekopunkt, das zu Remondis gehört. Der multinationale Konzern aus Lünen war erst zum Jahreswechsel wieder in dieses Geschäft eingestiegen. Remondis sammelt Millionen Tonnen Müll aller Art vor allem von Industrie und Gewerbe in Dutzenden Ländern ein.

In Deutschland wird der von den nunmehr elf Firmen der dualen Systeme gesammelte Abfall im Regelfall in eigenen oder fremden Müllverbrennungsanlagen »energetisch genutzt« oder er wird stofflich verwertet und beispielsweise zu grünen Glasflaschen verarbeitet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden vom gesamten Hausmüll ein Drittel verbrannt, zwei Drittel recycelt. So stellt der Grüne Punkt in zwei Werken Kunststoffgranulat her, welches an Hochbau oder Verkehrstechnikbetriebe verkauft wird.

Das duale System entstand in Deutschland als zusätzliches, also »duales«, Erfassungssystem neben dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystem, welches Kommunen und Landkreise verantworten. In der Praxis kooperieren beide Welten vielerorts. Seit 1991 verpflichtet eine Verordnung die Wirtschaft, ihre Verpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen oder einer Verwertung zuzuführen. Doch die Bestimmung wies viele Lücken auf. Erst seit einer Novelle 2009 sind alle Hersteller und Händler von Konsumartikeln verpflichtet, sich an einem dualen System zu beteiligen.

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Erster und zunächst einziger Anbieter war lange der Grüne Punkt. Nach einer Intervention von EU-Kommission und Bundeskartellamt machen seit einigen Jahren auch andere Firmen ihre Geschäfte mit unserem Abfall. Der Marktanteil des früheren Monopolisten beträgt nach Medienberichten heute nur noch 15 Prozent, etwa so viel wie jeweils Ekopunkt und Prezero.

Für Umweltverbände kann die Einweg-Abfall-Verwertung nur ein Teil der Lösung sein. »Sowohl der Handel als auch die Industrie«, so BUND-Expertin Janine Korduan, »müssen verpflichtet werden, funktionierende Mehrweg-Infrastrukturen aufzubauen.« In der am Wochenende in Kraft getretenen Novelle des Verpackungsgesetzes sei dies versäumt worden. Die Müllberge und damit der Rohstoffverbrauch werden weiter wachsen.

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