»Pausenlos hart trainieren«
Rainbirds: »Sea of time«
Wir Deutschen sind ein Strebervolk. Was wir machen, machen wir gründlich. Laisser-faire und Lässigkeit überlassen wir anderen. Selbst wenn es um Musik geht, sind wir getrieben von einem Rigorismus und vom Willen zur Perfektion, die keine Grenzen akzeptieren. Katharina Franck ist hierfür das beste und schlimmste Beispiel. Als Bandleaderin der Rainbirds war sie Ende der 80er das Aushängeschild der deutschen Musik.
Als Chefin verfolgte sie einen ebenso ehrgeizigen wie wahnwitzigen Plan. »Wenn irgendwann mal Prince oder Patti Smith die Rainbirds auflegen und es ihnen gefällt, dann wäre ich ein bisschen am Ziel«, verriet sie der Frauenzeitschrift »Brigitte«. Diesem Ziel, Musik zu schaffen, die international bestehen kann, ordnete sie alles unter. »Ich singe etwas 20- oder 30-mal und weiß dann immer noch nicht, ob es gut ist. Ich muss ständig an mir arbeiten, sonst wird es nichts. Manchmal komme ich mir vor wie Steffi Graf. Pausenlos hart trainieren.«
Das erwartete sie auch von ihren Musikern, wie dem späteren Ärzte-Gitarristen Rodrigo González. »Die sollen nicht einfach nachspielen. Die sollen sich auch was einfallen lassen, die Sachen veredeln - das verlange ich.« Harte Worte, die fruchteten. Wäre da nicht Katharina Francks überprononciertes Englisch (das klingt, als bewerbe sie sich bei der Royal Shakespeare Company) - kein Mensch käme auf die Idee, hinter »Call Me Easy, Say I’m Strong, Love Me My Way, It Ain’t Wrong« ein Produkt made in Germany zu vermuten. Das Album wäre der perfekte Soundtrack zu einem Film über den Highway 61. Amerikanischer hat eine deutsche Band nie geklungen.
So heiligte der Zweck dann doch die Mittel. Und wer weiß, vielleicht hat Patti Smith ja wirklich das Zehn-Minuten-Epos »Sea of time« gehört und sich gewundert, wie die Krauts das hinbekommen haben.
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