Was bleibt

Nicht wenige Menschen stellen sich die Frage: Was bleibt von der DDR? Die Antworten fallen - naturgemäß - sehr unterschiedlich aus. In meinem Fall, hineingeboren in die Novemberwirren des verheißungsvollen Jahres 1989, lautet sie: wenig, aber doch weit, weit mehr, als die meisten annehmen würden. Und wie steht es um die rein materiellen Überreste des untergegangenen Staates? Mein ganzer Stolz ist ein Impfpass - ausgestellt vor der Zeitenwende. Fest eingebunden, selbstredend in Rot, geprägt mit Hammer, Zirkel, Ährenkranz, akribisch geführt. Ein Arzt westdeutscher Herkunft sprach mir gegenüber einmal von einem »medizinischen Parteibuch«. Der Pass sagt auch: Mit der Gesundheit ist nicht zu spaßen. Zumindest hat es jener Staat so gemeint.

Als ich den Pass kürzlich in meiner Augenarztpraxis am Savignyplatz vorlegte, im Herzen des alten Westberlin, damit die begehrte Eintragung über die zweite verabreichte Dosis zum Schutz vor dem Coronavirus eingetragen werden konnte, traf mich die Frage: »Reisen Sie gerne?« Und es folgte die Ergänzung, dass der DDR-Impfpass international nicht anerkannt werde. Nun trage ich widerwillig den papiernen Lappen in Reclamgelb, der kein Gewitter in meiner Hosentasche überstehen wird.

Was bleibt von der DDR? Viele Fragen. Aber vielleicht auch das: ein anderes - hoffentlich selbstverständlicheres - Verhältnis zum Impfen, eine Irritation, wenn von Reisebeschränkungen die Rede ist, die Erwartung, dass die gesundheitliche Unversehrtheit Staatspflicht ist - oder sein sollte.erz

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal