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Antriebsfeder Antifaschismus

Der Friedenskämpfer und Arbeiterführer Willi Hoffmeister ist gestorben

  • Ulrich Sander
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Dienstagnachmittag traf in der Dortmunder Innenstadt eine Fahrraddemonstration der Friedensbewegung ein, die von Bielefeld bis nach Kalkar am Niederrhein führt. Auf der Kundgebung der Zwischenetappe wurde der Gruß eines Mannes verlesen, der sonst stets bei solchen Aktionen vorneweg dabei war: Willi Hoffmeister hatte uns von seinem Laptop aus dem Krankenhaus geschrieben. Wenig später erfuhren wir, dass er, 88-jährig, bereits verstorben war, als seine Worte an unsere Ohren drangen.

Am vorangegangenen Wochenende war ihm noch eine Ehre zuteil geworden, die ungewöhnlich für einen Menschen seiner politischen Überzeugungen ist. Er schrieb uns dazu: »Ich habe mich gefragt, ob ich das Bundesverdienstkreuz am Band annehmen sollte, und ich machte der DGB-Vorsitzenden und dem Bürgermeister, die an mein Krankenbett kamen, deutlich, dass ich eine solche Ehrung nicht für mich annehme, sondern nur für uns alle.« Wir waren tief bewegt, als wir diese Zeilen lasen.

Die Ehrung für Willi, den Gewerkschafter, Kommunisten, Friedens- und Antifa-Aktivisten war vom DGB Region Dortmund vorgeschlagen worden. Die Regionalvorsitzende Jutta Reiter dankte Willi für sein Bemühen um den Zusammenschluss aller Friedensfreunde sowie die Verknüpfung von Gewerkschaftsarbeit mit dem Engagement für »Antimilitarismus sowie Antifaschismus, denn das sind deine Antriebsfedern«.

Willi war IG-Metall-Betriebsrat in der Westfalenhütte und baute eine bundesweite betriebliche Friedensbewegung mit auf. Er wusste: Bewegungen für Demokratie und Frieden können nur dann erfolgreich sein, wenn die arbeitenden Menschen in den Betrieben einbezogen werden. Er selbst hatte die Schrecken des Krieges noch miterlebt. Sein von ihm verehrter Onkel, der kommunistische Arbeiter Franz Urbanski, hatte eine elfjährige KZ-Haft erlitten. Er gab seinem Neffen als Rat mit auf den Weg: »Junge, tu alles, damit es nie wieder zu Faschismus und Krieg kommt.« Willi erinnerte sich: »Das hat mich mein Leben lang geleitet.«

Der Onkel war gesundheitlich schwer angeschlagen. In einem Dorf bei Schwerin bekam er einen Neubauernhof zugewiesen – und kam damit nicht zurecht. Willi und seine Eltern wollten helfen. Sie verkauften ihre Habe und ihr Haus in Ostwestfalen und zogen in die DDR, erhielten jedoch keine dauerhafte Zuzugsgenehmigung. Die Behörden in der DDR meinten, der Platz der Hoffmeisters sei im Westen. Willi wäre sehr gern Bauer geworden. Wieder im Westen stand die Familie vor dem Nichts. Willi ging daher nach Dortmund. Er war Schreiner, wurde Hafenarbeiter, dann Stahlarbeiter. Jede Mark, die irgendwie übrig war, ging zu den Eltern, damit sie das Haus wiedererlangen konnten.

Über sechs Jahrzehnte war der Ostermarsch Willis wichtigstes politisches Projekt – seit 1961 marschierte er an Rhein und Ruhr in vorderster Reihe. Zugleich war er ein leidenschaftlicher Streiter für die Aktionseinheit der Linken. Als Parteivorstandsmitglied der DKP bis 1990 war er nicht nur bei seinen Genossen hoch anerkannt.

Als Willi im März 2011 eine Ausstellung über 50 Jahre Ostermarsch in der Nähe des Dortmunder Rathauses eröffnete, ließ es sich Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) nicht nehmen, den Kommunisten und Initiator der Exposition ausdrücklich zu würdigen: »Mein Dank geht an Willi Hoffmeister und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Ich hoffe, dass diese Ausstellung viele Menschen anlockt und motiviert, sich weiterhin oder auch erstmalig für den Frieden und gegen Krieg zu engagieren. Denn der Marsch ist noch nicht zu Ende, und er muss weitergegangen werden – das ist die Verantwortung, die wir für unsere Welt tragen.«

Willi war auch ein Meister des Leserbriefes. Er vermochte es, seine Gedanken, knapp gefasst und auf den Punkt gebracht, nicht nur in linke Medien zu tragen. Erst kürzlich schrieb er mir, was er zu Papier brachte, leider jedoch nicht veröffentlichen konnte. Ich freue mich, über diese Zeitung Willis Gedanken zu einem der beschämendsten Kapitel jüngster bundesdeutscher Geschichte der Öffentlichkeit zu vermitteln: »20 Jahre Krieg in Afghanistan haben dem Land keinen Frieden und Fortschritt gebracht. 12,5 Milliarden (ohne die Milliarden an Nebenkosten) wurden verpulvert. Schluss mit den Auslandseinsätzen in aller Welt – Abrüsten statt Aufrüsten. Die Mehrzahl der BundesbürgerInnen fordert das.«

Ja, lieber Willi, und wir werden weiter in diesem, Deinem Sinne kämpfen.

Der Dortmunder Historiker und Journalist Ulrich Sander ist Mitglied der VVN-BdA.

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