Es geht um jede Stimme

Andreas Fritsche warnt vor taktischem Verschenken der Erststimme

Es wäre zwar eine faustdicke Überraschung, wenn die Linke bei der Bundestagswahl am 26. September außer᠆halb von Berlin und Erfurt einen Wahlkreis gewinnen sollte. Entscheidend sind für die Sozialisten die Zweitstimmen, die der Wähler für eine Partei vergibt und die darüber entscheiden, wie viele Abgeordnete die nächste Linksfraktion zählen wird. Dennoch dürfen die Erststimmen für die Direktkandidaten nicht so auf die leichte Schulter genommen werden, wie es die PDS bei der Bundestagswahl 2002 getan hatte, in dem trügerischen Gefühl, sie werde die Fünf-Prozent-Hürde sicher überspringen. Die PDS war dann bekanntlich bis 2005 nur mit den beiden in Ostberlin direkt gewählten Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau im Bundestag vertreten. Wäre noch ein dritter Wahlkreis gewonnen worden, hätte das die Fünf-Prozent-Hürde ausgehebelt.

In Ostbrandenburg hatte die Linke 2009 mal vier Bundestagswahlkreise geholt, in Potsdam war sie mehrmals nah dran an einem Sieg, schaffte es jedoch nie. Niemand rechnet damit, dass die Linke am 26. September einen Wahlkreis in Brandenburg gewinnt. Trotzdem sollte die Partei nichts unversucht lassen. Sie braucht neben jeder Zweitstimme auch jede Erststimme. Denn wie sich in den letzten Tagen zeigte, ist insgesamt noch Bewegung in den Umfragewerten. Wenn die Grünen selbstbewusst mit der Behauptung in den Wahlkampf gingen, alles sei drin, dann sagt der Potsdamer Bundestagskandidat Norbert Müller (Linke) seinerseits zuversichtlich: »Ich glaube, hier ist einfach alles drin.«

Es ist vernünftig, dass Müller einen Plan B für seine Zukunft hat für den Fall, dass er den Einzug in den Bundestag verpasst. »Ich bin ja nicht blöd«, sagt er. Aber er strengt sich an. Und auch in Südbrandenburg versucht seine Genossin Yvonne Mahlo, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Das ist die richtige Strategie.

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