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- Verhältnis zwischen der EU und Polen
Die Angst vor einem Unfall
Stephan Fischer zu fortgesetzten »Polexit«-Diskussionen
Das polnische Verfassungsgericht vertagt seit Monaten seine Antwort auf die von Premier Morawiecki im Frühjahr gestellte Frage, wie sich EU-Recht zur polnischen Verfassung verhält. Das ist auch kein Wunder – jede Antwort hat schlechte Konsequenzen. Entscheidet sich das im PiS-Sinne agierende Rechtsorgan für den Vorrang der polnischen Verfassung, ist der Rechtsrahmen mit der EU gesprengt. Entscheidet es sich für den Vorrang des EU-Rechts, liegt das Narrativ von der nationalen Souveränität in Trümmern. Also wird vertagt und vertagt – es ist offenbar, dass die Frage selbst der politische Zweck war, um Stärke gegenüber Brüssel zu demonstrieren: Die Antwort oder überhaupt eine Antwort war gar nicht erbeten.
Doch nun steht die Frage im Raum und der Konflikt eskaliert, weil akut Sanktionen und finanzielle Konsequenzen in Milliardenhöhe drohen. Die Rechtsregierung ist auf die Milliarden aus EU-Töpfen angewiesen, auch um jene Sozialleistungen zu finanzieren, die sie bei Wählern jenseits eines rechten Kerns erfolgreich gemacht hat. Zugleich ist das Narrativ der unbedingten polnischen Souveränität konstitutiv für sie. Ein Kompromiss aus beiden wäre Realpolitik. Es droht aber angesichts der Sackgasse eher die Gefahr eines politischen Stunts à la Cameron. Damals konnte sich kaum jemand vorstellen, dass Großbritannien wirklich aus der EU austritt, so wie sich das heute bei Polen kaum jemand vorstellen kann. Äußerungen zu einem »Polexit« und die Warnungen davor werden lauter: Nicht, dass es zu etwas kommt, was hinterher niemand wollte.
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