Eigenwillige Einzelmeinung

Querschüsse des Oberbürgermeisters von Frankurt (Oder)

Es ist nicht alles falsch, was der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) in einem taz-Interview sagte. Aber er hat es zur falschen Zeit gesagt. Kurz vor der Bundestagswahl hätte sich René Wilke (Linke) seine Bemerkungen zum unklaren Oppositionskurs seiner Partei verkneifen müssen. Politiker können nicht herausplatzen mit allem, was ihnen im Kopf herumspukt. Sie müssen bedenken, was sie damit auslösen.

Aber der Wahlkampf ist Wilke egal. Er gibt zu, dass er keinen macht. Gestattet sei hier die Bemerkung: jedenfalls keinen für die eigene Partei – weil das der Stadtgesellschaft angeblich Wunden zufügen würde. Wie der Bevölkerung geholfen wäre, wenn die Linke durch solche Wortmeldungen die Fünf-Prozent-Hürde verpassen würde, erklärt der Oberbürgermeister nicht. Seinem Interview habe er nichts hinzuzufügen, heißt es auf Anfrage.

Dem ist aber hinzuzufügen: Wilke hat nicht nur die zweifellos zerstrittene, aber gerade halbwegs Burgfrieden haltende Linke heruntergemacht, sondern auch noch verraten, er könne keiner anderen Partei empfehlen, mit seiner eigenen Partei zu koalieren (Stichwort: Außenpolitik). Umgekehrt kann ich der Linken nicht raten, mit SPD und Grünen zu koalieren, da diese aus ihrer Beteiligung am Nato-Angriff auf Jugoslawien 1999 und aus 20 Jahren Bundeswehreinsatz in Afghanistan offenkundig nichts gelernt haben. Mit dieser SPD soll die Linke sogar fusionieren? Wilke schlägt das vor.

Im Vergleich zu Wilkes Äußerungen ist es harmlos, dass der Seelower Stadtverordnete Uwe Hädicke (Linke) öffentlich erklärte, mit der Erststimme Sabine Buder (CDU) zu wählen – in einem Wahlkreis, in dem es für die Linke auf die Zweitstimmen ankommt! Verständlich, dass die Genossen in Frankfurt (Oder) sauer auf ihren Oberbürgermeister sind. Denn sie machen ja Wahlkampf für die Linke und haben eigentlich keine Zeit, sich jetzt mit diesem Unsinn zu beschäftigen. Es sei eine Einzelmeinung eines Kommunalpolitikers, versucht die Partei die Entgleisung abzutun.

Dass es auch anders geht, bewies dieser Tage der Potsdamer Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg. Er sah eine dritte Bundestagskandidatur von Norbert Müller (Linke) kritisch. Trotzdem kam er zu einem im Wahlkampf organisierten Kinderfest und grillte dort fleißig Würste. Denn es geht um die Sache. Respekt!

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