• Berlin
  • Warnstreik an Schulen

Weniger ist mehr

Berliner Lehrkräfte wollen ihre Arbeit für eine Verkleinerung der Schulklassen niederlegen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl immer wieder von vielen Seiten beklagt: Chronisch überbelegte Klassen gehören seit Jahren zum Alltag an zahlreichen öffentlichen Berliner Schulen. Der Berliner Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will das nicht länger hinnehmen. Er fordert einen »Tarifvertrag Gesundheitsschutz«, in dem die maximalen Klassengrößen für die unterschiedlichen Jahrgangsstufen verbindlich geregelt werden. Einen ersten Vorstoß zu entsprechenden Tarifverhandlungen hatte der zuständige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) im Juni abgelehnt. Nun geht die GEW einen Schritt weiter und ruft die Lehrkräfte an 28 Schulen für diesen Mittwoch zu einem eintägigen Warnstreik auf.

Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der Berliner GEW, spricht von »einem verantwortungsvollen Streik«. »Die Lehrer*innen machen es sich nie leicht zu streiken, weil sie sich mit Blick auf ihre Schüler*innen natürlich fragen: Zu welchem Preis mache ich das?« Man habe sich angesichts des pandemiebedingten Unterrichtsausfalls der vergangenen Monate daher auch bewusst dafür entschieden, nur einen kleinen Teil der Lehrkräfte einzubeziehen und »exemplarisch unsere Streikfähigkeit zu demonstrieren«, sagt Albers zu »nd«.

Zugleich müsse das Thema endlich auf den Tisch. Eine Verkleinerung der Klassen trage definitiv zu einer Arbeitsentlastung für die Lehrkräfte bei. »Die Zusammenhänge sind viel zu lange kleingeredet worden«, sagt Albers. Dabei habe »die spezielle Situation« während des coronabedingten Wechselunterrichts gezeigt, »welche großen Effekte kleinere Klassen haben können, für die Arbeit der Lehrer*innen, aber natürlich auch für den Lernerfolg der Schüler*innen«.

In der Senatsbildungsverwaltung will man den Streikaufruf an die angestellten Lehrkräfte ebenso wenig direkt bewerten wie die Frage nach dem Zusammenhang von Lernerfolg und Klassengröße. »Es gibt hier bekanntlich verschiedene Studien, die zu verschiedenen Ergebnissen kommen«, sagt Sprecher Martin Klesmann zu »nd«. Das Haus von Noch-Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wisse sehr wohl, dass kleinere Klassen zwar vielen »wünschenswert« erscheinen. Nur müsse die GEW aber auch sehen, dass ihre Forderung »durch die Macht des Faktischen zumindest in den nächsten Jahren schwerlich realisiert werden dürfte«, gibt sich Scheeres’ Sprecher diplomatisch.

Das Problem: Um die Klassenfrequenzen zu reduzieren, müssten deutlich mehr Lehrkräfte eingestellt werden. Allerdings macht sich der Nachwuchs zusehends rarer. So zählte die Hauptstadt zuletzt gerade mal rund 920 Studierende pro Jahr, die einen Lehramts-Master gemacht haben. Nötig, sagen etwa die Aktivisten der Berliner Kampagne »Schule muss anders«, seien jährlich mindestens 3000. Die GEW stellt das nicht in Abrede. »Es ist uns doch allen klar, dass wir uns die Lehrkräfte nicht backen können«, sagt Gewerkschafterin Anne Albers. Die Forderungen ließen sich nur erfüllen, wenn zugleich die Lehrkräfteausbildung nach oben gefahren wird. Es gehe eben auch um langfristige Ziele.

Zum Zeitpunkt für den Streik sagt die Gewerkschafterin: »Jetzt ist genau der richtige Moment, weil in den laufenden Sondierungen der Parteien die Weichen für die nächste Legislatur gestellt werden.« Am Mittwochvormittag wird eine von der GEW organisierte Fahrraddemonstration auf ihrem Weg von Kreuzberg nach Wedding dann auch an den Zentralen von Grünen, FDP, Linke und SPD vorbeiführen. »Die Berliner CDU-Zentrale liegt zu weit ab von der Route, sodass wir sie leider nicht beehren können«, sagt Albers.

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