Fortwährender Kampf um Anerkennung

Pflegende machen beim Deutschen Pflegetag ihrem Unmut Luft

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 3 Min.

»Viele denken, das ist alles selbstverständlich, und man fühlt sich oft nicht ernst genommen«, sagt Christina Rösner. Man merkt der ambulanten Pflegerin an, wie gut es ihr tut, das mal auszusprechen. Sie tut es beim »Playback«-Theater, dem wohl ermutigendsten Event auf dem Deutschen Pflegetag 2021. Eine Gruppe, bestehend aus drei Schauspielerinnen und einem Musiker, improvisiert dabei Darstellungen von Wortmeldungen aus dem Publikum - daher der Name »Playback«, also zurückspielen.

Richtig viele Menschen aus dem gesamten Pflegebereich hat der diesjährige Pflegetag nicht in den CityCube auf dem Berliner Messegelände locken können. Viele haben sich bei dem als Hybridveranstaltung stattfindenden Kongress lieber online zugeschaltet. »Die Besucherzahl ist leider sehr viel niedriger als beim ersten Deutschen Pflegetag vor der Pandemie. Da hatten wir ja einen großen Zulauf«, sagt Detlef Krause, Präventionskoordinator der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

Die etwa 50 Pflegebeschäftigten, die im Saal Platz genommen haben, öffnen sich mehr und mehr. Und immer wieder geht es um Anerkennung und die Eigenständigkeit des Pflegeberufs. Neben der Forderung nach höheren Löhnen - die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, hatte bereits am Mittwoch einen angestrebten Bruttolohn von 4000 Euro für Pflegekräfte gefordert - wollen die Pfleger*innen mehr sein »als bloße Arztassistenz«, wie es eine weitere Teilnehmerin beim Mitmachtheater ausdrückt.

Es geht in diesem Rahmen vor allem auch darum, die Erfahrungen in der noch immer nicht besiegten Corona-Pandemie zu verarbeiten. Diese ist auch beim gesamten Kongress allgegenwärtig - nicht nur aufgrund der geringen Zahl von Präsenzbesucher*innen, sondern natürlich auch durch die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung, die in allen Räumen herrscht sowie die Kontrolle nach dem 3-G-Prinzip. Doch die Pflegebeschäftigten erinnern sich auch daran, was ihnen während der Pandemie Kraft gegeben hat.

»Weil die Bewohner*innen ja eine lange Zeit keinen Besuch von ihren Verwandten bekommen durften, ist die Beziehung zwischen den Pflegekräften und den Patienten noch mal viel intensiver geworden«, beschreibt zum Beispiel Christine Rösner eine kraftspendende Erfahrung. Und Angela Gabriel, die in der außerklinischen Intensivpflege in Berlin arbeitet, erzählt, wie entlastend es war, als sie sich mit Bekannten das Homeschooling ihrer Kinder geteilt haben. »Zu Beginn der Pandemie habe ich meinen neunjährigen Sohn noch unterrichtet, als ich morgens aus der Nachtschicht kam«, berichtet sie. Das ging aber nicht lange gut. »Ich fand es eine unfassbare Unverschämtheit, dass die Politik dieses Homeschooling bei uns Berufstätigen einfach so vorausgesetzt hat«, lässt sie ihrer Wut freien Lauf.

Beim Abschlusspodium geht es dann nüchterner zu, auch wenn die Themen dieselben sind - sie werden hier nur eben von Minister*innen verhandelt und nicht von den Pfleger*innen selbst. Im Gebäude nebenan sondieren gerade Vertreter*innen der SPD, Grünen und FDP mögliche Gemeinsamkeiten einer neuen Bundesregierung, während Ursula Nonnemacher, grüne Gesundheitsministerin von Brandenburg, auf dem Pflegetag-Podium »eine große Pflegereform« fordert: »Das ist vor allem für Ostdeutschland wichtig, denn wir sind ja der Spiegel für das, was demografisch in zehn Jahren auch in Westdeutschland Sache ist.«

»Mehr Personal, mehr Kompetenz und mehr Geld«, fordert auch die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler. Es gehe darum, die Diskrepanz zwischen Ärzten und Pflegekräften abzubauen. »Wir brauchen ein Teamwork«, fasst sie es zusammen. Konkret fordert Vogler die Heilkundeübertragung, die den Beschäftigten vor allem in der ambulanten Pflege viel mehr Kompetenz sichern soll.

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