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Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Henker selber

George Packer über den Zustand der Vereinigten Staaten von Amerika

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 4 Min.

Nein. Nicht schon wieder Trump! Doch - es muss sein. Wer verstehen will, wie es um die Vereinigten Staaten vor, während und nach Donald Trump steht, muss dieses Buch des in Kalifornien geborenen, heute in New York lebenden George Packer lesen. Seine Erleichterung über das Ergebnis der letzten US-amerikanischen Präsidentenwahl verdeckt nicht seine tiefe Skepsis angesichts des politischen und gesellschaftlichen Zustands Amerikas, das in zwei etwa gleich große Teilnationen zerfallen ist. Er beschreibt, wie es - lange vor Trump - dazu gekommen ist, welche Fratze die Administration dieses verheerenden Präsidenten abgab und wie es weitergehen sollte. Große Hoffnung für die Zukunft sät er nicht.

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George Packer: Die letzte beste Hoffnung. Zum Zustand der Vereinigten Staaten.
A. d. Engl. v. Elisabeth Liebl. Rowohlt, 254 S., geb., 26 €.

Zwei Grundübel macht Packer dafür verantwortlich. Zum einen: Das Vertrauen in die Demokratie ist bei vielen einfachen Leuten schwer erschüttert. Sie glauben nicht mehr daran, dass mit ihrer Stimme etwas in ihrem Sinne verändert werden kann. Oder sie geben sie dem vulgären Populisten, der ihre Sprache spricht, sie aber tief verachtet. Die Menschen sprechen mit denen vom anderen politischen Lager nicht mehr, und ihre Öffentlichkeit ist die der sogenannten sozialen Medien, in denen die Selbstbestimmung des Volkes nicht debattiert wird.

Das zweite Übel ist die Ungleichheit. Packer knüpft an die Gründungsdokumente der Vereinigten Staaten an. Darin steht die Gleichheit an erster Stelle. Der Autor beklagt das schreiende Unrecht, das zwischen Weißen und Schwarzen, zwischen Arm und Reich, zwischen Leuten mit Highschool-Abschluss und Menschen ohne herrscht.

Packer beschreibt die Entwicklung, die zu diesem alarmierenden Zustand geführt hat. Er benennt die politischen Weichenstellungen zugunsten der Reichen und Superreichen und die damit verbundene Verhöhnung der arbeitenden Menschen. Er beschreibt auch den politischen Mechanismus, demzufolge die Entrechteten in großer Zahl ihren Ausbeutern ihre Stimme geben. »Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Henker selber.« Sie glauben den Demagogen, dass die Zuwanderer ihnen die Stellen wegnehmen oder ihnen gleichgestellte Colored People und Hispanics die Löhne drücken.

Für die im Laufe der Jahrzehnte immer krasser gewordene Ungleichheit macht Packer den vom Staat nicht etwa kontrollierten, sondern geförderten Kapitalismus verantwortlich. An dieser Entwicklung haben nicht nur Republikaner, sondern auch Demokraten mitgewirkt, beklagt der Autor. Er berichtet von Begegnungen mit Menschen, denen das, was von denen da oben verordnet wird, nichts bringt. Einen anerkennenden Seitenblick wirft Packer auf den französischen Autor Thomas Piketty. Manches erinnert auch an die Philippika von Sarah Wagenknecht, die ihre Kritik einer gewissen Volksferne nicht nur gegen Linksliberale, sondern auch an ihre eigene Partei richtet.

Die politischen Eliten in beiden großen Parteien der USA kümmerten und kümmern sich nicht um die Interessen der Abgehängten, um die niedrig Entlohnten, die nicht Krankenversicherten, die nach Zwangsversteigerung aus ihren Häusern Vertriebenen. Sie reden nicht einmal mit ihnen! Die Betroffenen wandten sich dem Populisten zu, dem Heilsversprecher, der Amerika wieder groß machen wollte und dazu erst mal die Steuern der Hochverdienenden und der Unternehmen massiv senkte. Alle Ungleichheit fängt in den Schulen an. Die halbwegs guten sind für die Armen unerschwinglich. Wer keine gute Schule besucht hat, bekommt in Amerika keine Chance. »Doch das Ganze funktioniert nur, weil wir mitspielen«, schreibt Packer.

Hier und an manch anderer Stelle wird Packers Buch auch für Deutschland und Europa relevant - die Entwicklungen ähneln sich: Ungleichheit als Gefahr für die Demokratie. Es geht Packer um gleiche Chancen. Wem aufgrund seiner sozialen Herkunft Bildung versagt ist, der kann nicht auf eine erfolgreiche berufliche Karriere hoffen.

Denkmäler setzt der Autor den frühen Vorkämpfern gegen die schreiende soziale Ungleichheit. Deren Namen sind hierzulande unbekannt, einigen US-Amerikanern vielleicht auch. Es gab sie aber, die eine Vision, »einen Traum«, hatten und an deren Verwirklichung arbeiteten.

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