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Über das Elend im Kulturmilieu
75 Jahre Akademie der Künste
Eine Akademie muss revolutionär sein, in kulturpolitischem Sinne!« Dies erklärte einst der ehemalige Direktor des Archivs der Akademie der Künste (AdK), Walter Huder, gegenüber des einstigen Berliner Stadtmagazins »Zitty« (of all places). Es ist das Jahr 1986, das heißt, noch existiert die DDR, noch ist die AdK aufgeteilt in Ost und West. Was Huder in den mittleren 1980er Jahren unter »revolutionär« verstand? War es die sogenannte Friedliche Revolution in der DDR, die der Bundesrepublik dabei half, sich endlich, endlich den verhassten zweiten deutschen Staat einzuverleiben, ein für allemal Schluss zu machen mit der real existierenden Systemalternative Sozialismus? Wer das genauer wissen möchte, kann das besagte Zitty-Interview lesen, es ist ein Exponat in der Ausstellung »Out of the Box – 75 Jahre Akademie der Künste« am Pariser Platz in Berlin-Mitte.
»Revolutionär« ist an der AdK heute, das erfuhr ich beim Pressetermin erwartungsgemäß, absolut nichts (mehr). Und das, obwohl die Archivar*innen der AdK einen unglaublichen Schatz an hochpolitischen Nachlässen verwalten, darunter von Kommunist*innen wie Peter Weiss, Anna Seghers, Bertolt Brecht, Ronald Schernikau. Sie alle waren naturgemäß auch Antifaschist*innen und würden sich angesichts des Zustands der Welt im Allgemeinen und wohl auch der Akademie der Künste im Besonderen im Grabe umdrehen. Peter Weiss etwa wird im Katalog zur Jubiläumsausstellung fälschlich als Verteidiger der Demokratie bezeichnet – dies sei auch die zentrale Thematik der »Ästhetik des Widerstands« (die sich in Wirklichkeit mit der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung und der Frage nach dem Ausbleiben der Revolution befasst). Es herrschen Begriffslosigkeit und Revisionismus bezüglich der Werke von Künstler*innen, die vielfach bewusst in eben den sozialistischen Staat zurückgekehrt waren, dessen Elimination letztlich auch von der AdK gefeiert wird.
Der Direktor der AdK – ich vergesse seinen Namen – wird beim Pressetermin befragt auf die Rechtswende in der Kulturpolitik und die Kürzungen. Er spricht von »Inflation«, verliert kein Wort über Militarisierung, Aufrüstung, antifeministischem Rollback, Druck zur Nationalerzählung, Rassismus. Der bürgerliche Kulturbetrieb hält still, macht mit, biedert sich an, bis es zu spät ist; er hat den Kulturbetrieb der DDR ersetzt und ist doch kein bisschen weniger staatstragend. Man kennt das, ist nicht überrascht – und fürchtet doch, was kommt, auch weil das kulturelle Herrschaftspersonal sich nicht dagegenstellt. Ich weiß schon, weshalb ich seltenst zu Presseveranstaltungen gehe; interessant ist immerhin der Ausstellungskatalog, voll von Archivalien, welche die Torhüter*innen an der Akademie der Künste nicht für antifaschistische Zwecke nutzen. Es wird ihnen auf die Füße fallen.
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