Teilweise Versechsfachung des Einsatzes

Studie untersucht Renditetricks von Private-Equity-Unternehmen in Pflegeheimen

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 4 Min.

Immer öfter investieren aggressive Geldgeber*innen auch in Bereiche der Daseinsfürsorge. Eine aktuelle Studie der Bürgerbewegung Finanzwende und der Heinrich-Böll-Stiftung zu Private-Equity-Firmen (Beteiligungskapital-Firmen) im Pflegebereich belegt, wie problematisch es ist, einen so wichtigen Bereich wie die Altenpflege mit den hohen Renditeerwartungen solcher Unternehmen in Einklang zu bringen. »Die Trickliste der Investoren ist lang – mit erheblichen Folgen für das deutsche Pflegesystem«, schreiben die Studienmacher*innen.

Dazu gehören Zinsen von etwa neun Prozent für Darlehen von Gesellschafter*innen, der Ausverkauf von Immobilien sowie die Übertragung hoher Schulden, die mitunter dem Zehnfachen des Gewinns entsprechen. All dies droht Pflegeheimketten in Deutschland, wenn Private-Equity-Gesellschaften bei ihnen einsteigen.

Im Ergebnis stellt die auch von der Hans-Böckler-Stiftung und der Open Society Foundations unterstützte Untersuchung infrage, ob Private-Equity-Firmen überhaupt im Pflegebereich aktiv sein sollten. Eine zusätzlich in Auftrag gegebene Umfrage zeigt, dass 60 Prozent der Befragten gar den Zugang aller privaten Investoren in den Pflegebereich ablehnen.

Private Equity ist der englische Begriff für Beteiligungskapital. Private-Equity-Gesellschaften investieren in Firmen und profitieren vom Gewinn, während sich dem Unternehmen neue Möglichkeiten zur Weiterentwicklung eröffnen sollen. Zu diesem Zweck bündeln die Investor*innen die Gelder von Dritten in einem Fonds, zum Beispiel von Pensionsfonds oder vermögenden Privatpersonen, und legen diese mit dem Versprechen auf hohe Renditen an.

In der aktuellen Falluntersuchung, die Pflegeheimketten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien umfasst, wird deutlich, dass Private-Equity-Fonds dabei stets ein ähnliches Instrumentarium anwenden. Die Finanzinvestor*innen nehmen oft hohe Kredite auf, um große Pflegeheimketten zu kaufen. Im Anschluss werden die Schulden auf die Heime selbst übertragen, sodass diese die teils horrenden Beträge inklusive Zinsen abzahlen müssen.

Trotz der hohen Schulden sichern sich Finanzinvestor*innen oft hohe Profite beim Verkauf der Pflegeheimketten. Die deutsche Pflegekette Alloheim wurde beispielsweise 2013 für 180 Millionen Euro von der US-Private-Equity-Firma Carlyle gekauft und vier Jahre später für 1,1 Milliarden Euro an die schwedische Firma Nordic Capital weiterverkauft – dies entspricht einer Versechsfachung des Einsatzes. Eine frühere Studie aus Großbritannien schätzt, dass durch die Herangehensweise von Private-Equity-Unternehmen mindestens zehn Prozent der Gelder von Patient*innen und Kassen abfließen und in den Taschen von Finanzinvestor*innen landen. Laut Finanzwende liegt die Befürchtung nahe, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern ähnliche Summen nicht bei den Pflegebedürftigen ankommen.

»Im Pflegebereich agieren Profiinvestoren, die mit allerlei Tricks arbeiten. So schaffen sie es, teils zweistellige Renditen aus einem staatlich finanzierten Sektor zu ziehen«, kritisiert der Geschäftsführer der Initiative Finanzwende, Gerhard Schick. Somit flössen riesige Summen aus dem ohnehin schlecht finanzierten Pflegesektor.

Dieser sei aus mehreren Gründen das perfekte Innovationsziel für Private-Equity-Firmen, schreiben die drei Wissenschaftler*innen Théo Bourgeron, Caroline Metz und Marcus Wolf, die hinter der Studie stehen. Denn die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen steigt weiter rasant an und wird aufgrund der alternden Bevölkerung immer weiter zunehmen. Zudem bietet der Sektor verlässliche Einkommensströme durch Pflegeversicherungen, Steuergelder sowie die Eigenbeteiligungen von Patient*innen und Angehörigen. Und auch die Immobilien von Pflegeheimketten sind für die Investor*innen ein attraktiver Vermögensgegenstand.

Die noch nicht ausgestandene Corona-Pandemie hat erneut deutlich gemacht, dass unsere Gesellschaft in hohem Maße auf einen funktionierenden Pflegesektor angewiesen ist. Durch den Einstieg von Investor*innen ändert sich jedoch die bisherige Logik im Pflegebereich. Es geht immer weniger um das Wohl der Patient*innen, der Gewinn für die Anteilseigner*innen des Fonds rückt dagegen immer mehr in den Fokus. »Anders geht es auch nicht, wenn man mitunter zweistellige Renditen erzielen will. Die Folgen dieses Agierens sind dramatisch«, so die Verfasser*innen der Studie.

Nach Ansicht von Finanzwende liegen längst verschiedene Möglichkeiten auf dem Tisch, um das Agieren der Investor*innen spürbar einzuschränken. Eine Option sei beispielsweise, Private-Equity-Firmen komplett aus dem so wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge herauszuhalten. Sollte die Politik nicht so weit gehen wollen, könnte sie zumindest manche schädlichen Tricks unterbinden und die Investor*innen mehr in die Haftung nehmen, meint Schick.

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