Rentenvorschläge aus der Mottenkiste

Geplante Regierungskoalition setzt auf private Altersvorsorge und das Einfrieren des dürftigen Rentenniveaus

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Anfang dieser Woche die ersten Äußerungen der designierten Koalitionär*innen zum Thema Rente an die Öffentlichkeit drangen, werden diese bereits heiß diskutiert. Konkret war bekannt geworden, dass SPD, Grüne und FDP das Rentenniveau bei rund 48 Prozent stabilisieren wollen. Rentenkürzungen und eine Erhöhung des Renteneintrittsalters schließen sie bisher aus.

Verdi-Chef Frank Werneke rechnet angesichts der internen Rentenpläne der Dreier-Konstellation mit steigenden Beiträgen in den nächsten Jahren. »Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung wird erhöht werden müssen, gar keine Frage. Das ist im Bundeshaushalt auch darstellbar. Und es wird steigende Beiträge zur Rentenversicherung geben müssen«, erläuterte der Gewerkschafter Montag gegenüber der »Rheinischen Post«.
Aufgrund der Tatsache, dass der Rentenbeitragssatz derzeit bei 18,6 Prozent liege und damit »unterhalb des Niveaus in der Regierungszeit von Helmut Kohl« rangiere, sei die Erhöhung nach der Bundestagswahl 2021 aber durchaus vertretbar, so Werneke weiter.

Außerdem zeigte sich der Gewerkschaftsvorsitzende überzeugt, dass die Bürger*innen in Deutschland die steigenden Rentenbeiträge akzeptieren werden. »Wenn die Menschen vor der Wahl stehen, ob sie 30 Euro im Monat mehr in die Rentenkasse zahlen sollen oder ob sie am Ende eine Rente haben, von der sie nicht auskömmlich leben können, dann weiß ich, dass für sie moderat steigende Rentenbeiträge der bessere Weg sind«, erklärte er.

Ähnlich äußerte sich der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Matthias W. Birkwald, auf Nachfrage des »nd«: »Was wir jetzt brauchen, ist ein Dreiklang aus moderat steigenden Beitragssätzen, stabiler Steuerfinanzierung und einer Politik der guten Löhne und der guten Arbeit statt noch mehr Minijobs.« Angesichts »des mageren Rentenniveaus« von 48 Prozent, das nun auf ewig festgeschrieben werden solle, kritisierte der Linke-Sprecher die Sondierer*innen scharf: »Es sollen wieder nur die private Altersvorsorge mit einem neuen staatlichen Riesterprodukt mit anderem Namen gestärkt und private Anlageprodukte anerkannt werden.« Das sei der absolut falsche Weg, so Birkwald weiter.

Zudem monierte er den fehlenden Willen von SPD, Grünen und FDP, Altersarmut zu bekämpfen und Erwerbsminderungsrenten zu verbessern. »Statt der Rentenversicherung zehn Milliarden Euro zur Spekulation am Kapitalmarkt zu überweisen, könnte man damit sofort alle Renten um drei Prozent anheben«, rechnete er vor.

Der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, sieht die Rentenpolitik im Sondierungspapier ebenfalls »alles andere als zukunftsträchtig ausgerichtet«, wie er dem »Handelsblatt« sagte. Eine Rentenreform werde seiner Meinung nach »schlicht vertagt«, sie sei aber jetzt dringend nötig, so der Ökonom weiter.

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, kritisierte erwartungsgemäß das bisherige Ausschließen einer Erhöhung des Renteneintrittsalters: »Unsere Sozialsysteme sind belastet, vor allem bei der Rente«, sagte er gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. »Mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren kommen wir nicht hin«, betonte er.

Dieses Ansinnen des Arbeitgeberpräsidenten steht in krassem Widerspruch zum Willen der Mehrheit der Arbeitnehmer*innen. Laut einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Umfrage des Marktforschungsinstituts Civey will mehr als die Hälfte der Berufstätigen (53 Prozent) bereits vor dem 63. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Fast drei Viertel der befragten Erwerbstätigen halten sich für geistig und körperlich nicht in der Lage, bis zur gesetzlichen Altersgrenze im Job zu bleiben. Und auch die Jüngeren haben mehrheitlich eine reflektierte Arbeitsmoral – bei den 18- bis 29-Jährigen gaben fast 60 Prozent an, bereits mit 61 oder früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu wollen.

Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass die Arbeitswelt nicht ausreichend auf den demografischen Wandel vorbereitet sei, sagte Frank Böhringer vom Vorstand des Demographie Netzwerks ddn, in dessen Auftrag 2500 Erwerbstätige online befragt wurden. Notwendig sei eine »breite und offene Debatte darüber, wie und wovon Leute im Alter leben sollen. Das reicht von den heutigen und zukünftigen Arbeitsbedingungen bis zur Rentenfinanzierung und betrifft auch unser Bild vom Alter und der Arbeitskultur generell«, erklärte Böhringer.

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