• Berlin
  • Tarifvertrag Nahverkehr

Geräuschlose Tarifeinigung bei der BVG

Mehr Geld sofort und sinkende Arbeitszeit ab 2023

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Diesmal ging es ganz ohne Streik. Die Gewerkschaft Verdi und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben einen Tarifabschluss erzielt, der Lohnsteigerungen und sinkende Arbeitszeiten zur Folge hat. Das gaben Verdi und der die Verhandlungen führende Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Berlin am Donnerstag bekannt.

»In Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage durch die Corona-Pandemie und der damit nicht klaren Zukunft ist dieser Abschluss ein guter Kompromiss, der gleichzeitig wichtige Weichen stellt«, erklärt der für die BVG zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt. Der Abschluss gelang nach zehnstündiger Verhandlungsrunde schließlich in der Nacht auf Dienstag; die Beschäftigten wurden in einer Tarifinfo der Gewerkschaft bereits am Mittwochnachmittag informiert.

Die Beschäftigten der Entgeltgruppen 1 bis 9, was derzeit Monatseinkommen von knapp 2100 bis rund 3700 Euro umfasst, erhalten 2,1 Prozent mehr ab 1. Januar 2022. Ein Jahr später kommen noch einmal 1,2 Prozent darauf. Höher bezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BVG erhalten im kommenden Jahr eine Einmalzahlung von 840 Euro, ab dem 1. Januar 2023 steigt das Gehalt um 1,9 Prozent. Zum Jahreswechsel 2024 sollen die Einkommen für alle um weitere 1,2 Prozent steigen. Ebenfalls für alle gibt es auch für die Zeit von September bis Jahresende 2021 eine Einmalzahlung von 450 Euro. Schrittweise werden zudem Weihnachtsgeld und Zuschläge erhöht.

Parallel dazu sollen die Wochenarbeitszeiten sinken - von derzeit 39 Stunden für alle seit dem Jahr 2005 eingestellten Beschäftigten in drei Schritten ab Januar 2023 auf schließlich 37,5 Stunden ab Juli 2024. Verdi war mit der Forderung einer Angleichung der Arbeitszeit an die 36,5 Stunden der Altbeschäftigten in die Verhandlungen gegangen. Die unterschiedliche Arbeitszeit sei innerhalb des Unternehmens »ein Konfliktthema, das uns seit Jahren begleitet«, erklärt Verdi-Mann Jeremy Arndt. »Daher ist der jetzt vereinbarte Abbau der Unterschiede besonders wichtig«, so Arndt weiter. Das Verhandlungsergebnis habe »auch Signalwirkung auf andere Verkehrsunternehmen«, unterstreicht er.

Die BVG wollte lange keine Senkung der Arbeitszeit, da das Unternehmen befürchtete, erneut in eine - erst infolge des hohen Tarifabschlusses 2019 überwundene - Personalnot zu rutschen. Dementsprechend können Beschäftigte freiwillig auch die längeren Wochenarbeitszeiten beibehalten und so ihr Einkommen steigern.

Verdi rechnet vor, dass Altbeschäftigte mit Einkommen bis rund 3700 Euro unterm Strich über die drei Jahre Laufzeit rund acht bis zehn Prozent mehr bekommen, bei ab 2005 Eingestellten sind es noch knapp fünf bis über acht Prozent. In den höheren Entgeltgruppen reichen die Steigerungen von rund drei bis etwas über neun Prozent.

Angesichts der derzeit galoppierenden Inflation von zuletzt 4,3 Prozent in Berlin im Oktober wirkt der Abschluss nicht üppig. Allerdings ist die BVG mit der Corona-Pandemie in eine handfeste Krise geschlittert: Die Zahl der beförderten Passagiere sank 2020 auf rund 730 Millionen, etwa ein Drittel weniger als noch im Jahr zuvor; die Einnahmen aus dem Ticketverkauf sanken um fast 200 Millionen Euro. Der Großteil wurde durch einen ÖPNV-Rettungsschirm von Bund und Land ausgeglichen. Auch dieses Jahr soll das der Fall sein. Derzeit werden weiterhin rund 20 Prozent weniger Fahrgäste gezählt als vor der Pandemie. Experten gehen von einer längerfristigen Reduktion der Passagierzahlen aus. Ob der Bund auch in den kommenden Jahren großzügige Unterstützung gewährt, ist derzeit allerdings offen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal